Kann ich den umtauschen?
alles anzweifeln, was ich sage, oder? Ich glaube nämlich wirklich nicht, dass ich damit umgehen könnte.«
Sie glaubte auch nicht, dass sie damit umgehen könnte. Ihre Mutter hatte die Kunst der Paranoia bis zur Perfektion beherrscht â es war eine der Fertigkeiten, die sie sich im Laufe ihrer Ehe mit William angeeignet hatte. Alice hatte die letzten beiden Tage einen Vorgeschmack davon bekommen und keine Lust auf mehr verspürt.
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich werde ganz bestimmt nicht paranoid«, versicherte sie â und sprach dabei wahrscheinlich sich selbst mehr zu als ihm.
»Gut.« Er lehnte sich über den Tisch und küsste sie sanft auf den Mund. »Machst du dann jetzt dein Geschenk auf?«
In der wunderschön verpackten Schachtel fand sie eine Armbanduhr. Eine Breitling, die sicher exorbitant teuer gewesen war.
»Gefällt sie dir?«
Sie war wunderschön. Oder vielleicht besser gesagt: Sie sah toll aus. Ein Meisterstück komplizierter Ingenieurstechnik in WeiÃgold. Aber gefiel sie ihr auch?
»Die ist der Wahnsinn«, antwortete Alice wahrheitsgemäÃ.
»Die Uhr ist COSC -geprüft. Gehört zu den genauesten der Welt.«
»Na, dann werde ich in Zukunft ja auf die Sekunde genau wissen, um wie viel du dich verspätest«, entgegnete sie ohne nachzudenken.
Er sah sie einen Moment lang an.
Und noch einen Moment.
Und dann lachte er.
Zehntes Kapitel
Es überraschte Alice nicht sonderlich, dass die von Nathan versprochene arbeitsfreie Woche zwischen den Jahren sich in Luft auflöste. Den 27. Dezember nahm er sich tatsächlich frei, aber schon am 28. stand er wieder um sechs Uhr auf und zog einen Anzug an.
Er kam nicht mit langen Erklärungen, und Alice verlangte auch keine, sondern akzeptierte es einfach, als er ihr sagte, die gegenwärtige Lage erlaube es ihm nicht länger, so lange am Stück freizunehmen.
Es wunderte ihn nicht, dass sie nichts weiter dazu sagte. SchlieÃlich war es nichts Ungewöhnliches, dass sein Geschäft wichtiger war als alles andere, inklusive Weihnachten. Und jetzt erst recht, schlieÃlich steckte er mitten in diesem Deal, den er vermitteln wollte. Alice hatte das immer als einen Teil seiner Persönlichkeit und seines Lebens akzeptiert.
Das Ungewöhnliche an dieser Situation war jedoch, dass Alice auf ganz sonderbare Weise erleichtert war, als er abfuhr.
Sie hatte sich wirklich bemüht, ganz sie selbst zu sein, aber schon allein das fühlte sich verkehrt an. Sonst hatte sie das nie Mühe gekostet.
Er hatte ihr versprochen, zu Silvester zurück zu sein, aber Alice wusste aus irgendeinem Grund bereits, dass das nicht klappen würde. War das eine ganz tief aus dem Körperinneren aufsteigende Ahnung, die sie einfach nicht abschütteln konnte? Die ihren Weg unbeirrt in diese Richtung lenkte? Wie hieà das doch gleich, »Bestellung beim Universum«? Man sendet Wunschsignale aus, und diese Wünsche gehen dann in Erfüllung ⦠auf Gedeih und Verderb.
Als das Telefon an Silvester gegen Mittag klingelte, wusste sie bereits, was man ihr mitteilen werde.
»Wir mussten eine dringende Sondersitzung einberufen.«
»Nathan, es ist Silvester. Wer hat denn da wirklich dringende Geschäfte zu erledigen?«
Er seufzte so tief, dass es durch den Hörer vibrierte.
»Alice, die Welt hört nicht auf sich zu drehen, nur damit ganz England um Mitternacht anstoÃen kann.«
Sie schwieg einen Moment. Dann: »Wirst du denn überhaupt noch rechtzeitig hier sein?«
»Ja, natürlich.«
Und dann überraschte sie ihn und sich mit ihrem Vorschlag: »Wie wärâs, wenn ich nach London käme?«
Er zögerte einen Moment.
»Bringt nichts. Zu der Sitzung kannst du sowieso nicht mitkommen ⦠Du würdest nur allein in der Wohnung herumhängen.«
»Schon, aber dann könnten wir hinterher zusammen feiern.«
»Ich möchte lieber nach Hause fahren, Alice.«
»Und wenn ihr nicht rechtzeitig fertig seid?«
»Um Mitternacht bin ich zu Hause, ich verspreche es.«
»Du versprichst es?« Alices überraschte Frage bezog sich nicht auf den Inhalt seines Versprechens, sondern auf den Umstand, dass er ein Versprechen ausgesprochen hatte. Nathan gab nie irgendwelche Versprechen. Ganz einfach deshalb, weil er ein Mann war, der das nicht nötig hatte. Wenn er sagte, dass er etwas tun werde, konnte man sich
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