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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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Auswirkungen hat. »Ich weiß es nicht«, gebe ich zu.
    Mein Mann erzählt mir, dass im Radio eine Frau porträtiert wurde, die sich trotz Kind von ihrem Mann getrennt hat. Ohne großen Streit, ohne neue Liebe. Einfach nur, weil sie erkannt hat, dass sie in ihrer Ehe kein Glück empfinden kann. Und dass sich das natürlich auch auf ihr Kind auswirkt. Diese Frau lebt nun mit dem Kind zusammen, der Exmann holt das Kind jedes zweite Wochenende ab. Und es scheint, dass alle drei mit dem neuen Leben durchaus zufrieden sind. Vielleicht sogar glücklicher, als sie es zuvor waren.
    »Ich bewundere das, eine solche Entscheidung zu fällen, ohne dabei auf die wirtschaftlichen Faktoren zu achten«, sage ich. »Aber ich finde die Frau auch ein bisschen fahrlässig.« Während ich das sage, werde ich mir selbst wieder unsympathisch. Bin das wirklich ich, die sofort die Hartz- IV -Angst schürt, die an Kinderarmut denkt und an verwahrloste Teenager, wenn jemand offen erklärt, dass es so was wie ein Bedürfnis nach Glück gibt? Vielleicht bin das ja auch gar nicht ich. Sondern nur das, was mir täglich eingeimpft wird von Medien, Büro und Nachbarhexen.
    Gleich 22:00 Uhr. Ich wähle noch einmal die Nummer meiner Mutter und unterbreche die Verbindung nach dreimaligem Klingeln. Es ist spät. Sie ist sicher im Theater und danach noch was trinken, denke ich und gehe ins Bad. Ich putze meine Zähne und ziehe mich aus. Dann streife ich mein Nachthemd über – ziehe es aber nicht über meinen Bauch. Ich drehe mich seitlich vor den Spiegel und versuche mich daran zu erinnern, wie mein nackter Bauch in der Schwangerschaft ausgesehen hat. Obwohl es nicht mal vier Jahre her ist, kann ich es mir gerade nur schwer vorstellen.
    Eins wäre sicher: Spätestens ab der Hälfte meiner Schwangerschaft müsste ich das Rennen aufgeben. Ich würde keinen Bus mehr erwischen mit einem Bauch voller Baby. Was für eine großartige Ausrede fürs Zuspätkommen! Ich könnte auch sagen, ich bin nicht mehr in den Bus reingekommen – mit dem dicken Bauch.
    »Gibt es da etwas, was du mir erzählen möchtest?«, fragt mein Mann. Er steht an der Tür und lächelt. Ich lächle auch. »Nichts Konkretes. Aber schön wäre es schon«, sage ich. Er nickt. »Lieber Vater von zwei Kindern mit dir als Vater von einem Kind ohne dich.«

SAMSTAG
    6:45 Uhr. Der Wecker klingelt. Aber es ist doch Samstag, denke ich und schalte den Wecker aus. Ich drehe mich auf die andere Seite, schließe die Augen. Dann höre ich Schritte. Mein Sohn legt seine Hand auf meine Wange. »Es ist schon hell«, sagt er. Ich richte mich im Bett auf, nehme ihn in die Arme und lege ihn zwischen meinen schlafenden Mann und mich. Vielleicht gelingt es mir, noch fünfzehn Minuten zu gewinnen, noch ein kleines bisschen liegen zu bleiben. Es gelingt mir, fünf Minuten zu gewinnen. Trotz Kuscheln und Geschichten-im-Flüsterton-erzählen will er nicht mehr im Bett liegen. »Tika ist jetzt wach«, sagt er. »Und Tika möchte einen warmen Kakao.«
    Tika zieht mir die Decke weg und versucht, mich aus dem Bett zu schieben. Ich gebe nach und stehe leise auf. Gehe in die Küche und erwärme Milch, verrühre Kakaopulver und fülle die heiße Schokolade in eine Tasse. Der Kleine sitzt am Tisch und strahlt mich an. Ich strahle zurück – obwohl ich müde bin. Er trinkt die Schokolade mit wenigen Schlucken aus. Ich lächle. Schon deutlich weniger verschlafen koche ich mir eine Tasse grünen Tee und gehe damit ins Kinderzimmer. Aus Rücksicht auf meinen Mann schließe ich die Tür und schlage meinem Sohn vor, gemeinsam ein Buch zu lesen.
    Um Viertel nach sieben möchte mein Sohn lieber Fangen spielen. Das möchte ich nicht. Ich sage ihm, dass wir leise sein müssen, weil mein Mann noch schläft. Und deshalb spielen wir lieber später Fangen. Nein, sagt mein Kleiner ernsthaft, später muss Tika ins Büro. Ich drücke ihn an mich. »Heute muss niemand ins Büro«, sage ich. Und nehme mir vor, einen weiteren Sportkurs für ihn zu suchen. Ein Kind braucht Bewegung – einmal pro Woche zum Eltern-Kind-Turnen reicht neben dem normalen Rennen und Spielen einfach nicht aus. Statt Fangen können wir eine große Rakete aus Lego bauen, sage ich. Wir bauen die Rakete, sie wird wirklich groß und überragt meinen Sohn. Doch bevor ich die Antenne auf der Spitze fertig habe, haut er die Rakete in Stücke. Er lacht, und ich lache auch.
    Ich bitte meinen Sohn, die Lego-Steine aufzuräumen, gehe ins Bad und starte eine Waschmaschine.

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