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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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Dann gehe ich in die Küche und bereite das Frühstück vor. Während das Eierwasser heiß wird, decke ich den Tisch. Mir fällt die junge Kollegin ein. Die schläft jetzt wahrscheinlich noch, in ihrem alten Kinderzimmer im Haus ihrer Eltern. Vielleicht ist sie auch schon wach und will nicht aufstehen, das warme Bett nicht verlassen. Legt die Hand auf ihren Bauch und versucht, eine Veränderung zu spüren. Ich erinnere mich, dass ich das in den ersten Wochen nach dem positiven Schwangerschaftstest sehr oft gemacht habe, nach fühlbaren Bestätigungen getastet, die das abstrakte Ergebnis der Urinauswertung real werden ließen. Vielleicht zieht sich meine Kollegin auch die Decke über den Kopf und weint. Sind die Entscheidungen, die sie zu fällen hat, doch alles andere als leicht: Ja zu einem Baby ohne Partner? Nein zu einer Karriere, die gerade erst begonnen hat?
    Gemeinsam mit meinem Kleinen fülle ich Teigstreifen mit Schokocreme und Mandelstücken und forme sie zu Croissants. Als ich die Eier abschrecke, stelle ich mir vor, nicht nur ein Kind wäre hier mit mir in der Küche, sondern zwei. Ob sie viel streiten würden? Ich bin ein Einzelkind und weiß nicht, wie es ist, mit Geschwistern aufzuwachsen. Die Aufmerksamkeit der Eltern zu teilen ist sicher schwer, vor allem für das ältere Kind. Doch mir gefällt die Vorstellung, dass mein Sohn für immer einen Partner hat – oder eine Partnerin. Ob er lieber einen Bruder möchte oder eine Schwester?
    Ich schicke den Kleinen ins Schlafzimmer, damit er meinen Mann aufweckt und hole das Telefon aus dem Wohnzimmer. 8:00 Uhr – meine Mutter ist eine Frühaufsteherin und sicher schon seit eineinhalb Stunden wach. Ich wähle ihre Nummer, erreiche sie aber nicht. Vielleicht ist sie einkaufen gegangen. Ich setze mich an den Frühstückstisch. Meine Mutter mag gern frische Semmeln mit Honig. Bei uns gibt es am Samstag fast immer selbst gemachte Croissants und Frühstückseier. Mann und Sohn kommen in die Küche, wir frühstücken. Nach dem Frühstück rufe ich noch einmal bei meiner Mutter an, sage ich zu meinem Mann.
    Um 9:50 Uhr verlassen wir zu dritt das Haus und steigen ins Auto. Der Kleine ist aufgeregt und voller Vorfreude – unser Ziel ist ein Märchenpark. Eigentlich wollten wir schon um halb zehn los, aber eine längere Diskussion zwischen mir und meinem Sohn hat die Abreise verzögert. Er wollte unbedingt sein Indianerkostüm anziehen, inklusive Federschmuck. Ich war einverstanden. Nur als er dann darauf bestand, barfuß zu bleiben, war ich nicht mehr einverstanden. »Aber Mama, Indianer haben keine Turnschuhe«, sagte er. Und erklärte mir auch, dass Indianer keine Sandalen, Winterstiefel oder Gummistiefel tragen. Er ließ sich dann zum Glück überzeugen, seine Hausschuhe aus weichem blauem Leder anzuziehen. Jetzt sitzt er auf der Rückbank in seinem Kindersitz und übt sich in Indianersprache: Mokassins und Tomahawk. Ich bin stolz auf mich, dass ich die Schuhkrise ohne Wenn-dann-Pädagogik und ohne die Androhung von Strafen überwunden habe.
    Ich verteile eine Runde Bonbons und freue mich, heute viel Zeit für unsere Familie zu haben. Ohne Blick in den Kalender, Anrufe vom Büro, Broschüren und Präsentationen. Ohne auf den Aufzug zu warten, zum Bus zu rennen, die U-Bahn zu verpassen. Ohne den Spagat der Vereinbarkeit – ohne dieses Wort »Vereinbarkeit«. Und ohne Nachrichten. Im Auto hören wir das Märchen von den drei kleinen Schweinchen auf CD .
    Ich tauche gern in die Fantasiewelt unseres Sohnes ein. Er fragt viel nach, etwa warum jedes der Schweinchen ein eigenes Haus baut, ob sie dafür einen Bagger brauchen und einen Kran und ob sie gelbe Bauhelme beim Hausbau tragen. Und ob der Wolf von den drei kleinen Schweinchen derselbe ist wie der, den er im Zoo gesehen hat.
    Ich hoffe, dass ihn der Märchenpark nicht enttäuscht. Denn natürlich ist hier die Fantasiewelt in Steinfiguren und Plastik gegossen. Neben Szenen aus den Grimm’schen Märchen und verschiedenen Fahrgeschäften gibt es Imbissbuden und ein Restaurant an einem großen Spielplatz inklusive Rutschenparadies. Wir haben auch einen Picknickrucksack dabei, den mein Mann nach dem Frühstück gepackt hat. Er hat wie jeden Samstag schmutzige Hemden und Blusen zur Reinigung gebracht und war anschließend in der Bäckerei: Es gibt belegte Semmeln, drei Butterbrezeln, Obst, Wasser für meinen Mann und mich und Saftschorle in der blauen Flasche für unser Kind.
    Mein Mann hat den Kleinen zum Einkaufen

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