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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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Mann und berichte von dem Kinderkleiderverkaufsnachmittag. Er sagt nicht viel dazu. Ich frage, ob ich ihn jetzt verärgert habe. Nein, sagt er, dass es ihn aber schon nervt, diese Rollenverteilung. Dass die Männer immer die Schweine sein sollen, die zuerst die Frauen schwängern und anschließend abhauen, und dann noch nicht mal Geld rausrücken, damit die verlassenen Frauen mitsamt den Kindern über die Runden kommen.
    »Weißt du denn, warum sie alleinerziehend ist? Vielleicht hat der Mann ja von Anfang an klar gesagt, dass er keine Kinder will. Vielleicht hat sie ihm gesagt, sie nähme die Pille, was sie aber nicht getan hat.« Es sind doch immer individuelle Geschichten, sagt er, und keine stereotypen Muster. Und was ihn bei dem ganzen Gerede über den Spagat der berufstätigen Mütter zwischen Wickeltisch und Laptop so stört, ist das Schweigen über die Gefühle, die berufstätige Väter haben. »Ich wäre sehr gerne jeden Nachmittag bei unserem Sohn. Aber dann müsste ich kündigen. Und du müsstest Vollzeit arbeiten.« Jetzt schaut er mich richtig kampfeslustig an. Weil er weiß, dass er mich erwischt hat. Ich sage ihm immer wieder, wie sehr ich es genieße, Zeit mit dem Kleinen zu haben. Zeit bei Tageslicht. »Du hast recht«, sage ich. »Es gibt da keine pauschale Wahrheit. Aber ich habe mich nicht getraut zu fragen, warum sie alleinerziehend ist. Ich habe sie ja gerade erst kennengelernt.« Er schweigt. Sieht mich immer noch verärgert an. »Aber trotzdem«, sage ich dann, »sind die meisten Alleinerziehenden doch die Mütter. 28 Könntest du dir vorstellen, unseren Sohn ohne mich großzuziehen?« Mein Mann schaut mich an. »Eigentlich kann ich es mir nicht vorstellen. Weil ich es gar nicht will. Aber gehen würde es schon.«
    Ich sage, dass es ja passieren könnte, dass ich bei einem Unfall sterbe. Oder schrecklich krank werde. Und er deshalb zum alleinerziehenden Vater werden würde. »Es sei denn, du suchst dir schnell eine Neue«, sage ich, um ihn wieder zum Lächeln zu bringen. »Du bist nicht ersetzbar«, sagt er darauf. Ohne zu lächeln.
    Um 20:15 Uhr fällt mir wieder ein, dass ich am Montag dringend einen Babysitter brauche. Kindergartenstreik! Ich wähle die Telefonnummer meiner Mutter, erreiche sie aber nicht. Vielleicht ist sie ins Theater gegangen, denke ich und glaube mich an eine Inszenierung an der Stadtbühne zu erinnern, von der sie mir kürzlich erzählt hat. »Wann fliegst du denn am Montag?«, frage ich meinen Mann. »Gegen acht«, sagt er. »Um halb sechs kommt das Taxi zum Flughafen.«
    Ich erinnere ihn an den Streik, der am Montag im Kindergarten stattfindet. Und dass ich meine Mutter noch nicht erreicht habe. »Das klappt sicher«, sagt er. Und entschuldigt sich bei mir, dass das an mir hängenbleibt, weil er verreisen muss. »Ich bin nicht sicher, ob es das alles wert ist«, sagt er. Ich verstehe nicht, was er meint und frage nach. Er ist müde, sagt er, und er weiß jetzt schon, wie schwer es ihm fallen wird, mich und unser Kind am Montagmorgen zu verabschieden. Dass er sich wirklich manchmal wünscht, er hätte einen greifbaren Plan B: den Job an den Nagel hängen und Zeit haben für die Familie. Was aber nicht heißt, dass dann ich weg sein soll und an seiner Stelle den ganzen Tag ins Büro gehe. »Außerdem weiß ich genau, dass ich nicht nur wegen des Geldes arbeiten gehe. Sondern weil ich schon auch ein Egoist bin. Und mich selbst verwirklichen möchte mit meiner Arbeit. Es der Welt zeigen will, was ich so draufhabe.«
    Ich erzähle ihm von meinen Gedanken, die ich heute im Büro hatte. Dass ich mich selbst in der Rolle der erfolgreichen Karrierefrau so fürchterlich unsympathisch finde. »Magst du dich denn in der Rolle der erfolgreichen Mutter?«, fragt er.
    Ich zögere. Bin ich eine erfolgreiche Mutter? Auf gewisse Weise wohl schon. Weil ich es schaffe, dass mein Sohn jeden Morgen mit geputzten Zähnen und sauberen Kleidern pünktlich im Kindergarten erscheint. Weil mein Sohn in der Lage ist, vollständige Sätze zu bilden, mit Wasserfarben zu malen und eigenständig zur Toilette zu gehen. Weil wir keine größeren Konflikte haben. Was aber alles nicht mein alleiniger Verdienst ist – mein Mann und das soziale Umfeld meines Sohnes, also die Oma, der Kindergarten und zuvor die Kinderkrippe, haben natürlich kräftig mitgeholfen. Außerdem ist unser Kleiner erst drei Jahre alt. Ich weiß nicht, ab wann ich erkennen kann, ob meine Erziehung positive oder negative

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