Kann ich gleich zurueckrufen
Fünfzehn drücken kann.
Um 12:55 Uhr kommen wir zurück in mein Büro. Die junge Kollegin sitzt an ihrem Schreibtisch. Immer noch? Schon wieder? Ich frage, ob sie schon Mittagspause gemacht hat. Sie verneint und erklärt, dass sie mit starker Übelkeit kämpft. Ich erinnere mich an die Mittelchen, die ich während meiner Schwangerschaft ausprobiert habe, um mit der sogenannten morning sickness zurechtzukommen. Und erzähle ihr davon, auf eine unaufdringliche Art und Weise. »Sie hat Bauchweh«, erkläre ich meinem Sohn. »Du musst Tee trinken«, sagt er dann zu ihr. Sie lächelt und meint, dass sie es versuchen wird.
»Hast du Lust auf einen Film?«, frage ich den Kleinen. Und bin erleichert, er jubelt. Ich setze ihn auf meinen Stuhl und schiebe eine DVD ins PC -Laufwerk. Während der Film lädt, überprüfe ich noch einmal meinen Posteingang. Eine Mail vom Vorgesetzten ist da. Er lädt mich zu einer Konferenz mit möglichen Kooperationspartnern ein, die am kommenden Morgen um elf stattfindet. Außerdem bittet er mich, mehrere Inhalte vorzubereiten. Wunderbar, denke ich, das schaffe ich gerade noch bis Dienstschluss.
Mein Sohn schaut die DVD an und kaut den Kaugummi, den er von der jüngeren Grafikerin geschenkt bekommen hat. Ich mache mir handschriftlich Notizen für das morgige Meeting und bin überrascht, wie gut das ohne Computer geht. Morgen früh werde ich die Notizen überarbeiten und zu einem kurzen Handout zusammenfassen, das ich dem Vorgesetzten dann vor dem Termin ausdrucke. Dafür veranschlage ich maximal sechzig Minuten – Zeit genug also, wenn ich um 8:40 Uhr ins Büro komme.
Ich merke, wie leicht mir die Arbeit fällt, wie entspannt ich bin, obwohl ich mir gestern Nacht überhaupt nicht vorstellen konnte, begleitet von meinem Sohn im Büro zu sein und zu arbeiten. Doch alles läuft so reibungslos. Er verhält sich wie ein Musterknabe, ist so brav und still, dass ich schon fast Angst habe, was aus ihm herausbricht, wenn wir erst zu Hause sind.
Woran ich überhaupt noch nicht gedacht habe – weil ich es verdrängt habe – ist der Krankenhausbesuch, der heute noch ansteht. Anstatt des Kinderturnens. Ich möchte unbedingt wieder zu meiner Mutter. Sehen, wie es ihr geht. Die Ergebnisse der weiteren Untersuchungen abfragen und mit dem Oberarzt sprechen. Und den Kleinen muss und will ich dabeihaben.
Ich rufe im Krankenhaus an, lasse mich mit der Stroke Unit verbinden. Zuerst frage ich, ob die Schwester mir etwas über die Untersuchungsergebnisse sagen kann. Sie sagt, dass Untersuchungen gemacht wurden. Die Auswertung können aber nur Stationsärztin oder Oberarzt kommentieren. Ich frage, ob der Oberarzt oder die Stationsärztin heute Nachmittag für ein kurzes Gespräch verfügbar seien. »Prinzipiell ja«, sagt die Schwester. »Die Schicht von Frau Doktor endet um fünf, der Herr Professor Doktor ist meistens bis vier da.« Einen Termin kann sie leider nicht vereinbaren. Ich bedanke mich und frage, ob sie das Telefon kurz zu meiner Mutter bringen kann. Ich höre, wie sie aus dem Schwesternzimmer geht, über den Flur läuft und eine Tür öffnet. Dann sagt sie sehr laut den Namen meiner Mutter. Sofort steigt in mir die Sorge hoch – hat sich meine Mutter versteckt? Dann ist die Schwester wieder am Apparat. »Ihre Mutter ist gerade aufgewacht. Ich gebe Sie Ihnen jetzt.«
»Ja?«, sagt meine Mutter, und sie klingt wirklich sehr verschlafen. »Mama, ich bin es. Schlaf ruhig weiter, ich komme später mit dem Kleinen zu dir«, sage ich. »Ist recht«, sagt meine Mutter. Dann ist die Leitung unterbrochen.
Ich atme tief durch.
»Ist was passiert?«, fragt die junge Kollegin. Sie sitzt an ihrem Schreibtisch und hat mein Telefonat natürlich mitbekommen. Mein Sohn starrt auf den Kinderfilm im Computer. »Meine Mutter ist im Krankenhaus«, sage ich. »Oh«, sagt sie. »Was Schlimmes?« Ich schüttle ganz leicht den Kopf. Und schaue zu meinem Sohn, dann wieder zu ihr. Sie nickt, versteht, dass ich vor dem Kind nicht über schlimm oder nicht schlimm in Zusammenhang mit meiner Mutter sprechen möchte.
»Hast du es schon gehört?«, fragt sie dann. »Der Generalsekretär der Liberalen ist dafür, das Elterngeld abzuschaffen. Weil er findet, dass die Politik keine Familienplanung machen sollte. Er möchte das durch die Abschaffung eingesparte Geld lieber in den Ausbau der Kinderbetreuung investieren.« 38 Ich seufze. Sie fährt fort. »Die konservative Familienministerin ist aber dagegen, sie will am
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