Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
Vom Netzwerk:
Einige der Fotos zeige ich meinem Sohn, es sind Aufnahmen von Wellen und Palmen, die ihm gut gefallen. Die ältere Grafikerin kommt vorbei und fragt den Kleinen, ob er ihre Fotos von Baggern, Kränen und Lastwägen sehen möchte. Er geht mit und kommt erst zwanzig Minuten später wieder mit ihr zurück. Als ich ihn frage, ob ihm die Fotos gefallen haben, nickt er. »Besonders mochte er ein Bild von einem Bagger, der ein Haus abreißt«, sagt die ältere Grafikerin. Nach dem kleinen Ausflug möchte mein Kind auf meinem Schoß sitzen. Ich nehme einen Anruf der Sekretärin des Vorgesetzten entgegen – Freigabe für die Präsentation.
    Zwanzig Kopien der Präsentation werden gebraucht – eigentlich könnte ich das telefonisch im Copyshop bestellen. Aber ich glaube, Kopierapparate und Bindemaschinen könnten meinem Kind gefallen. Wir fahren mit dem Aufzug in den ersten Stock, das Layout der Präsentation habe ich auf einer Flashcard dabei. Es ist nicht viel los im Copyshop. Die zwei Mitarbeiter freuen sich über Abwechslung. Während der eine meinen Auftrag erledigt, hilft der andere meinem Sohn, Bilder aus einer älteren Broschüre auszuschneiden – schon wieder Bagger! – und auf ein weißes Papier aufzukleben. Von der Collage wird dann eine Farbkopie gemacht, die zum Deckblatt seines neuen Malbuchs wird: Vorne drauf Baumaschinen, innen drin leere Blätter in den Farben des Regenbogens. Mein Sohn ist begeistert und besteht darauf, sein neues Malbuch selbst zu tragen. Ich nehme zwei Exemplare der kopierten und gebundenen Präsentation in Empfang, die restlichen Kopien werden per Hauspost direkt ins Büro des Vorgesetzten geliefert. Wir bedanken uns bei den Mitarbeitern des Copyshops. Dann gehen wir zum Aufzug und fahren zurück in den fünfzehnten Stock zu meinem Büro.
    Mittagspause, beschließe ich. Aber diesmal richtig! Ich frage die junge Kollegin, ob sie uns zum Italiener begleiten möchte. Sie lehnt ab, meint, Essen sei gerade nicht so gut. Mein Sohn und ich fahren mit dem Aufzug nach unten und laufen zu dem italienischen Restaurant zwei Straßen weiter. Wir sind die Ersten aus meiner Abteilung. Was mich erleichtert. Bis jetzt ist alles wirklich großartig verlaufen. Aber ich brauche eine kleine Pause von meinen Adrenalinschüben.
    Wir bestellen Nudeln, Pizzabrot, Salat und Apfelschorle. Der Kellner bringt die Getränke. Tika will auf meinen Schoß. Ich kann ihn verstehen: So viele neue Eindrücke und Gesichter, so viel ist fremd, laut, anders. Er bleibt auf meinem Schoß sitzen, bis das Essen kommt. Dann rutscht er auf seinen Stuhl, den ich mit drei Polstern ausgestattet habe, damit er wenigstens einigermaßen an den Tisch kommt. Denn natürlich gibt es in diesem Restaurant keinen Hochstuhl – es ist ja auch ein typisches Businesslunchlokal.
    »Magst du noch ein Eis?«, frage ich den Kleinen nach dem Essen. Er nickt. Ich bestelle eine Kugel Schokoladeneis für ihn und einen Espresso für mich. »Wir müssen dann noch mal ins Büro«, sage ich zu ihm. Er nickt wieder. Schaut mich derart ernst an, dass ich eigentlich sofort mit ihm nach Hause rennen möchte, fliehen will aus diesem seltsamen Dasein, in dem Bürotätigkeiten so wichtig sind. Ich ziehe ihn noch einmal auf meinen Schoß und flüstere ihm ins Ohr, dass ich sehr stolz auf ihn bin. Und dass wir es bald geschafft haben im Büro. Er kuschelt sich in meinen Arm. Dann zahle ich. Nach einem kurzen Toilettenbesuch gehen wir Hand in Hand wieder zurück.
    Ich lasse ihn das Tempo bestimmen, aber obwohl er könnte, trödelt er nicht. Und hält auch nach keinem Stock Ausschau. Die beiden Grafikerinnen kommen uns auf halber Strecke entgegen. »Na, was könnt ihr uns denn empfehlen?«, fragt die ältere und lächelt. »Die Pasta von der Tageskarte war gut«, sage ich. »Und du«, sagt sie zu meinem Sohn. »Hast du ein Eis gekriegt?« Er nickt. »Gut«, sagt sie. Die junge Grafikerin holt einen Kaugummi aus ihrer Jackentasche und zeigt ihn meinem Sohn. »Magst du den?« Er nimmt den Kaugummi. Sagt nichts. Ich bedanke mich und meine, dass wir uns ja gleich wiedersehen. Dann gehen wir weiter.
    Ich erkläre dem Kind, dass die eine Frau eine Tochter hat (die ältere mit den weißen Haaren) und dass die andere immer Kaugummi kaut (die jüngere mit der Brille). Er hört schon zu, wirkt aber in seine eigenen Gedanken vertieft. Vor dem Aufzug hebe ich ihn hoch, damit er auf den Nach-oben-Knopf drücken kann. Und im Aufzug hebe ich ihn noch mal hoch, damit er auf die

Weitere Kostenlose Bücher