Kanonenfutter
tiefblauen Wasser, bis der Befehl: »Fallen Anker!« über Deck gellte. Das Eisen klatschte hinab, und um seine Einschlagstelle im glatten Wasser bildeten sich Wellenkreise, die immer weiter vom Bug wegliefen, während heller Sand vom Grund aufwirbelte.
Vom Augenblick des Ankerns an schien die Hitze noch zuzunehmen; als Bolitho aufs Achterdeck ging, sah er Egmont und seine Frau nahe der Heckreling unter einem Sonnensegel stehen, das George Durham, der Segelmacher, für sie aufgeriggt hatte.
Dumaresq studierte die Insel sorgfältig durch das große Fernrohr des Signalfähnrichs. »Kein Rauch oder Zeichen von menschlichem Leben«, stellte er fest. »Auch am Strand kann ich keine Spuren entdecken, zumindest auf dieser Seite der Insel gibt es keine Boote.« Er reichte Palliser das Glas. »Der Hügel sieht vielverspr echend aus, eh?«
Gulliver meinte vorsichtig: »Da könnte es Wasser geben, Sir.« Dumaresq beachtete ihn nicht, sondern wandte sich an seine beiden Passagiere. »Das wäre vielleicht eine Gelegenheit, sich die Beine an Land zu vertreten, bis wir wieder ankerauf gehen.« Er hatte beide angesprochen, doch Bolitho spürte, daß seine Worte an die Frau gerichtet waren.
Er dachte an den Augenblick, als sie zu ihm an Deck gekommen war. Er war so kurz, aber kostbar gewesen. Und gefährlich, aber gerade darum besonders erregend.
Sie hatten nur wenige Worte gewechselt. Den ganzen folgenden Tag hatte Bolitho daran gedacht, es noch einmal durchlebt und sich jeden Augenblick in Erinnerung gerufen, um nichts davon zu vergessen.
Er hatte sie an sich gezogen, während das Schiff ins erste matte Licht des frühen Tages hineinpflügte, hatte ihr Herz an dem seinen schlagen gespürt und sie noch enger an sich pressen wollen, aber gleichzeitig befürchtet, daß seine Kühnheit alles zerstören könnte. Sie hatte sich aus seinen Armen befreit und ihn leicht auf den Mund geküßt, bevor sie mit den letzten Schatten auf dem Achterdeck ve rschmolz und ihn allein ließ.
Als Dumaresq jetzt so vertraulich von »Beine vertreten« mit ihr sprach, durchschoß es Bolitho wie ein Pfeil der Eifersucht, die er bisher nicht gekannt hatte.
Dumaresq weckte ihn aus seinen Gedanken auf. »Sie werden ein Landekommando führen, Mr. Bolitho. Stellen Sie fest, ob es einen Bach oder brauchbaren Tümpel in den Felsen gibt. Ich warte auf Ihr Signal.«
Er ging nach achtern, und Bolitho hörte ihn wieder mit Egmont und Aurora sprechen.
Bolitho zitterte. Er merkte, daß Jury ihn beobachtete, und glaubte einen Augenblick, er habe Auroras Namen wieder laut vor sich hin gesprochen.
Palliser fuhr ihn an: »Setzen Sie sich endlich in Bewegung! Wenn es kein Wasser gibt, wüßten wir es gern möglichst bald.«
Colpoys lehnte lässig am Besanmast. »Ich kann ein paar meiner Leute zum Schutz mitschicken, wenn Sie wollen.«
Aber Palliser bellte: »Zum Teufel, wir bereiten uns auf keine Feldschlacht vor!«
Der Kutter wurde ausgeschwungen und längsseits zu Wasser gebracht. Stockdale, der zum Geschützführer befördert worden war, hatte bereits einige Leute abgeteilt, während der Bootssteurer ein paar Taljen zur Übernahme der Wasserfässer verstauen ließ.
Bolitho wartete, bis alle Leute im Boot waren, und meldete es Palliser. Er sah, daß Aurora ihn beobachtete. Die Art, wie ihre Hand auf dem Halsschmuck ruhte, sollte ihn vielleicht daran erinnern, daß seine Hand vor gar nicht langer Zeit dort geruht hatte.
Palliser sagte: »Nehmen Sie eine Pistole mit und feuern Sie einen Schuß ab, wenn Sie Wasser finden.« Er kniff die Augen gegen das starke Sonnenlicht zusammen. »Und wenn die Fässer endlich gefüllt sind, können sich die Leute etwas anderes zum Nörgeln suchen!«
Der Kutter stieß von der Bordwand ab. Als sie den Schatten der D e stiny verließen, spürte Bolitho die stechende Sonne im Nacken.
»Rudert an!«
Bolitho ließ einen Arm außenbords hängen, fühlte die angenehme Kühle des Wassers und bildete sich ein, Aurora wäre bei ihm, schwämme neben ihm und laufe dann Hand in Hand mit ihm den weißen Strand hinauf, um einander das erstemal zu entdecken.
Als er über das Dollbord schaute, sah er unter sich ganz klar den Meeresgrund: weiße Steine oder Muscheln, dazwischen einzelne Korallenstöcke, die in dem schimmernden Licht trügerisch harmlos aussahen.
Stockdale sagte zum Bootssteurer: »Sieht aus, als wäre hier noch nie jemand gewesen, Jim.«
Der Mann ließ die Pinne los und nickte ihm zu, und diese Bewegung genügte, um ein
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