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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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als ein Traum?«, las er leise. »Vielleicht bringt der Tod das Erwachen …«
    Er zitterte innerlich und schlug das Buch an einer anderen, ebenfalls markierten Stelle auf.
    »Es gibt nicht einen Weg des Lebens, sondern deren tausend, und wir müssen wählen, uns immer wieder für eine Richtung entscheiden. Manchmal fehlt uns der Mut, und dann wählen wir die Abzweigung des geringsten Risikos. Manchmal erkennen wir schon nach kurzer Zeit, die falsche Richtung eingeschlagen zu haben, aber die Wege des Lebens sind Einbahnstraßen, auf denen man nicht umkehren kann. Sie führen immer nur nach vorn, nie zurück. Eine getroffene Entscheidung schließt alle anderen aus …«
    Das Bild vor Valdorians Augen verschwamm, und er sah volle Lippen, die diese Worte sprachen, ihnen einen fast melodischen Klang gaben. Die Stimme kam aus der gleichen Vergangenheit wie der Name Dorian, aus einer anderen Welt, einem anderen Leben.
    Er stellte das Buch an seinen Platz zurück – es war nicht das Exemplar, das Lidia ihm damals geschenkt hatte, denn das existierte längst nicht mehr, war in einer Kristallhöhle verbrannt –, durchquerte die Bibliothek mit längeren, entschlosseneren Schlitten und ging zum Schreibtisch in der hinteren Ecke.
    Die dortigen Wandfächer enthielten einen Gegenstand, der einmal eine ganz besondere Bedeutung für ihn gehabt hatte. Vor dem betreffenden Segment zeigte sich das vage Schimmern eines Sicherheitsfelds, und einige Sekunden lang befürchtete Valdorian, die Zugangssequenz vergessen zu haben – jenes Objekt hatte er seit vielen Jahren nicht mehr in der Hand gehalten. Dann fiel der Kode ihm wieder ein. Die Sensorfelder eines Kontrollservos summten unter seinen Fingern, und das Schimmern verschwand.
    Zitternde Finger tasteten nach einer kleinen Schatulle, öffneten sie und entnahmen ihr einen Kristall. Ein pseudoreales Licht entstand, glitt wie eine Miniatursonne um ihn herum und ließ die einzelnen Facetten glitzern. Ein normaler Diamant war kostbar genug, aber in diesem Fall handelte es sich um einen kognitiven Kristall, Teil eines Paars. Die Stimme eines Tarufs kam aus der Vergangenheit …
    »Dies ist etwas Spezielles: zwei Diamanten von der Taruf-Welt Ksid. Sie gehören zusammen.«
    »Warum?«
    »Es sind semivitale kognitive Kristalle, durch eine empathische Brücke miteinander verbunden. Wie groß auch immer die Entfernung zwischen ihnen ist, die Verbindung bleibt bestehen. Allerdings schwächt sie sich immer mehr ab, wenn die Diamanten über längere Zeit hinweg voneinander getrennt bleiben. Nähe hingegen erneuert die Brücke zwischen ihnen. Wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten: das ideale Geschenk für ein junges Paar, das nach einem konkreten Symbol für seine Beziehung sucht. Der Preis …«
    »… spielt keine Rolle …«
    Valdorian, der alte Valdorian, betrachtete den Kristall, konzentrierte sich und glaubte, ein vages Flüstern zu hören, wie fernen Wind. Viel zu lange waren die beiden Diamanten voneinander getrennt gewesen. Aber vielleicht …
    Dem gleichen Wandfach entnahm Valdorian ein kleines Gerät, das nach einem Kom-Modul aussah. Er hob den ebenfalls von Ksid stammenden empathischen Amplifikator ans Ohr, empfing jedoch nur das geistige Äquivalent weißen Rauschens. Nach einigen Sekunden ließ er den Amplifikator wieder sinken und dachte daran, dass er ihn nicht nur dazu verwendet hatte, die empathischen Signale des anderen Kristalls zu verstärken, um sie besser zu verstehen. Er legte den Diamanten in die Schatulle, stellte sie zusammen mit dem Amplifikator ins Wandfach zurück und reaktivierte das Sicherheitsfeld.
    Zwei Lebenswege, die sich kurz berührt und dann in verschiedene Richtungen geführt hatten …
    Lidia DiKastro war zur Pilotin in den Diensten der Kantaki geworden und Valdorian zum Nachfolger seines Vaters, erst zum Leiter der Valdorian-Unternehmensgruppe, dann auch zum Primus inter Pares und damit zum Oberhaupt des Konsortiums.
    Dorian, flüsterten Lidias Lippen, und ihre großen Augen glänzten, wie eine Mischung aus Smaragd und Lapislazuli. Valdorian glaubte, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um das Erinnerungsbild zu berühren und ihm Substanz zu geben, um Lidia aus der fernen Vergangenheit in die Gegenwart zu rufen.
    Lidia. Die Kantaki …
    Inmitten der Erinnerung keimte ein anderer Gedanke und wuchs zu einer Idee heran, an der sich Valdorian festklammerte. Plötzlich war die Leere in ihm nicht mehr leer, das unruhige Vibrieren ließ nach. Valdorians alte

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