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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Entschlossenheit kehrte zurück, und er atmete tief durch, wurde wieder Herr über sich selbst. Es war ein sehr angenehmes Gefühl, das ihm Selbstsicherheit und Kraft gab – Kraft aus einem Vorrat, der allmählich zur Neige ging, wie er wusste.
    Er holte seinen Kom-Servo hervor und aktivierte ihn.
    »Jonathan?«
    Sein Sekretär antwortete fast sofort. »Primus?«
    »Bitte kommen Sie zur Bibliothek.«
    Hinter Valdorians faltiger Stirn jagte ein Gedanke den anderen, während er Strategien erwog und Möglichkeiten sondierte. Seit vielen Jahren war er daran gewöhnt, selbst wichtige Entscheidungen innerhalb weniger Sekunden zu treffen, und von dieser Fähigkeit machte er auch jetzt Gebrauch.
    Als Jonathan Fentur eintrat, musterte Valdorian ihn mit neuer Aufmerksamkeit. Sein Sekretär trug eine dunkelgraue Kombination aus Hose und Jacke, Kleidung, wie man sie sich gewöhnlicher kaum vorstellen konnte, und alles an ihm wirkte durchschnittlich: Statur und Körperbau, das kurze, aschblonde Haar, die graugrünen Augen, die weder zu krumme noch zu gerade Nase, die weder zu dünnen noch zu dicken Lippen. Er sah aus wie fünfzig, hatte aber schon einige Resurrektionen hinter sich und war in Wirklichkeit siebenundneunzig.
    Ihm bleiben noch fünfzig Jahre, dachte Valdorian.
    »Sie wollten mich sprechen, Primus?«
    »Ja, Jonathan.« Eine Chance, flüsterte es in ihm. Es gibt noch eine Chance. »Ich möchte mit einem Kantaki reden, so schnell wie möglich. Arrangieren Sie alles.«
    Im Wandfach hinter dem Sicherheitsfeld, in der Schatulle, flackerte es tief im Inneren des Diamanten. Niemand bemerkte etwas, aber ein winziges Zeitquant hatte seine Struktur verändert.
     

2
Tintiran
3. Planet des Mirlur-Systems
Zentraler Sektor des Konsortiums
August 300 SN ·  linear
     
    Die Sonne Mirlur kroch hinter dem Horizont hervor, als die Kantaki-Kapseln vom Himmel fielen. Mit großer Geschwindigkeit kamen sie herab, kleinere Ausgaben der großen Kolosse, ebenfalls schwarz und asymmetrisch, aus zahlreichen Modulen zusammengesetzt.
    »Dies ist ein großer Tag für Tintiran«, ertönte eine Stimme aus den Lautsprechern. Sie gehörte dem Vorsitzenden des Demokratischen Konzils von Tintiran, der angeblich den Planeten regierte. Der junge Rungard Avar Valdorian wusste es besser: Die wahre Macht lag bei seinem Vater, Hovan Aldritt Valdorian. »Heute am 23. Juli 300 Seit Neubeginn überwindet unsere Heimatwelt die letzten Folgen des tausendjährigen Zeitkriegs. Heute wird die letzte Anomalie auf Tintiran nach monatelangen Vorbereitungen in die gewöhnliche Raum-Zeit reintegriert, was wir den Kantaki verdanken. Dadurch gehört der Planet wieder ganz allein uns.«
    Die schwarzen Kapseln der Kantaki wurden abrupt langsamer, als sie sich der Oberfläche näherten, und schwebten an der großen Ambientalblase vorbei, die das Festkomitee am Rand des Lochs geschaffen hatte. Das Loch – es hatte nie einen anderen Namen getragen: eine riesige Öffnung im Leib des Planeten, anderthalb Kilometer tief und zehn Kilometer breit. Fast fünfzehn Jahrhunderte lang hatten hier im hohen Norden von Tintiran, in der »Große Trockenheit« genannten Region, archäologische Untersuchungen stattgefunden. Nach dem ersten Fund eines Artefakts der La-Kimesch hatten sich Wissenschaftler von vielen Welten Schicht um Schicht in die Tiefe gegraben und nach und nach etwas freigelegt, das einst, vor etwa zweiundzwanzig Millionen Jahren, ein urbaner Komplex gewesen zu sein schien. Doch kurze Zeit nach Beginn des Zeitkriegs vor mehr als anderthalb Jahrtausenden hatte sich herausgestellt, dass die »Stadt« der La-Kimesch – wenn es wirklich eine Stadt war – ein Zeitportal der Temporalen enthielt, das es dem Feind gestattete, einen Angriff aus der Vergangenheit zu führen. Die Invasion der Temporalen hatte natürlich das Ende für die Ausgrabungsarbeiten bedeutet, und jetzt stand ein neuer Anfang bevor. Die Forscher konnten es gar nicht abwarten, wieder mit der Arbeit zu beginnen. Und mein Vater nutzt die gute Gelegenheit, um sein öffentliches Renommee zu stärken, dachte Valdorian.
    Unten im Loch, über den fraktalen Artefakten der La-Kimesch, schienen grauweiße Nebelschwaden zu wogen. Aber es war kein gewöhnlicher Dunst. Die Schwaden bestanden aus kondensierender und wieder verdampfender Zeit, hatte Valdorian in einem Bericht gelesen, ohne es zu verstehen – diese Dinge interessierten ihn kaum. Nicht weit von der Ambientalblase entfernt, in deren Innerem angenehme

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