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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Leben hatten ihn jemals so genannt, unter ihnen …
    »Bitte gehen Sie.«
    »Primus …«
    Valdorian drehte sich erneut um und richtete einen durchdringenden Blick auf seinen Leibarzt, der sich erneut mit dem Taschentuch Schweiß von der Stirn wischte – vielleicht nur imaginären, denn in der Bibliothek war es recht kühl.
    »Gehen Sie.«
    Der kleine, dicke Mann eilte hinaus. Jonathan folgte ihm zur Tür, was Valdorian mit einem gewissen Erstaunen zur Kenntnis nahm – er hatte ihn überhaupt nicht bemerkt. Das gehörte zu den besonderen Fähigkeiten seines persönlichen Sekretärs: Er fiel nicht auf. Wenn er unbewegt blieb und schwieg, schien er Teil seiner Umgebung zu werden und regelrecht mit ihr zu verschmelzen.
    »Falls Sie etwas brauchen, Primus …«
    »Ich möchte nur allein sein.«
    Und dann war er allein.
     
    Die Stille schien Substanz zu gewinnen, wie Wasser, das Bewegungen hemmt. Hinzu kam, dass der dicke Teppich das Geräusch der Schritte schluckte, als Valdorian wie in Trance einen Fuß vor den anderen setzte. Der Raum war groß und mehr als nur eine Bibliothek. Er enthielt einzigartige Kunstschätze, seit er vor Jahren ein logistisches Zentrum des Konsortiums hierher verlegt hatte. An bestimmten Stellen angebrachte Spiegel sorgten für eine sehr raffinierte Verteilung des Lichts, das aus ovalen Fenstern in Decke und Wänden fiel, und das matte Glühen indirekter Beleuchtung schuf Schatten nur an bestimmten Stellen. Alles diente dazu, die sublime Schönheit der Kunst hervorzuheben: Gemälde, abstrakte und surrealistische, von Künstlern vieler Welten, aber auch das Licht- und Farbenspiel von Impressionisten, fast in der Art von Monet und Renoir; Skulpturen, die Verwegenheit in Form und Struktur zum Ausdruck brachten, aus Kristall, Marmor oder künstlichen, semibiologischen Substanzen bestanden; andere Dinge, die sich keiner der üblichen Kategorien zuordnen ließen, teilweise auf das künstlerische Schaffen fremder Völker zurückgingen. Zwei oder drei Artefakte stammten aus Ruinen der legendären Xurr, und es stand keineswegs fest, ob es sich dabei wirklich um Kunstobjekte handelte – vielleicht waren es in Wirklichkeit Teile von Apparaten oder Dinge, die eher profanen Zwecken gedient hatten. Valdorian hatte sie vor allem wegen ihrer ästhetischen Ausstrahlung zu schätzen gewusst.
    Dass die an diesem Ort zusammengetragenen Kunstschätze tatsächlich ein Schatz waren, kümmerte Valdorian kaum. Es spielte eine weitaus größere Rolle für ihn, was sie repräsentierten: ein Leben ohne Kompromisse. Das hatte immer für ihn im Vordergrund gestanden: das Bestreben, so zu leben, wie er es wollte, ohne Zugeständnisse an Umstände oder Personen. Die Macht als Primus inter Pares des Konsortiums war in diesem Zusammenhang nur ein Mittel zum Zweck, ein Schlüssel für die Tür, durch die man Selbstverwirklichung erreichen konnte.
    Aber die Bücher bildeten natürlich den zentralen Bestandteil der Bibliothek. Sie füllten Nischen, die den Eindruck erweckten, aus natürlichem Felsgestein herausgemeißelt zu sein. Sie standen in Regalen aus Edelholz und ruhten zwischen den ausgestreckten Armen von Statuen, die Teil der Wand zu sein schienen. Hunderte, tausende, und die meisten von ihnen warteten darauf, Geschichten zu erzählen, von Ereignissen und Schicksalen zu berichten.
    Valdorian erinnerte sich plötzlich daran, früher viel gelesen zu haben. Früher … jener andere Mann, der er einmal gewesen war.
    Dorian …
    Diese drei Silben, vor wenigen Minuten ausgesprochen von Reginald Connor, weckten Erinnerungen, die lange verschüttet gewesen waren.
    Noch immer bewegte er sich wie in Trance, aber die sonderbare Leere in seinem Inneren begann sich zu füllen. Womit – das ließ sich noch nicht feststellen. Auf dem weichen Teppich setzte er einen Fuß vor den anderen, schritt an Lesesesseln und kleinen Tischen vorbei, an Vasen und großen, üppigen Pflanzen. Sein Blick blieb auf die Bücher gerichtet, und schließlich verharrte er, griff nach einem ganz bestimmten Band.
    Natürlich handelte es sich nicht um ein echtes Buch, sondern um eine pseudoreale Reproduktion, aber es wirkte täuschend echt – man konnte sogar darin blättern. Der Titel lautete Reflexionen, und der Text stammte von dem denebianischen Philosophen Horan.
    Valdorian öffnete das Pseudo-Buch an einer markierten Stelle, und sein Blick fiel sofort auf die von einem blinkenden Pfeil gekennzeichnete Passage.
    »Und wenn das Leben nichts weiter ist

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