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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Temperaturen herrschten, strich kalter Wind über das hinweg, was von der einstigen wissenschaftlichen Siedlung übrig geblieben war. Die Bauten waren schon damals aus widerstandsfähiger Synthomasse und Stahlkeramik errichtet worden; trotzdem zeigten sich nur noch Gerippe dort, wo einst stabile, massive Gebäude gestanden hatten. Valdorian erinnerte sich, dass der Bericht auch einen Zwischenfall mit »temporaler Akzeleration« während des Kampfes gegen die Temporalen erwähnt hatte. In der Forschungssiedlung war die Zeit plötzlich millionenfach schneller vergangen: Während außerhalb nur wenige Sekunden verstrichen, vergingen im Inneren Jahrzehntausende. Nur einige bleiche Knochen erinnerten an die damaligen Archäologen.
    Valdorian blickte auf seinen Chrono-Servo und fragte sich, wie lange diese langweilige Zeremonie noch dauerte.
    Von seinem hohen Platz auf dem Podium aus, das allein Magnaten und ranghohen Souveränen und Autarken vorbehalten war, blickte er ins Loch und beobachtete, wie die Zeitmechaniker der Kantaki von Bord ihrer Kapseln aus aktiv wurden. Vor fast dreihundert Jahren hatten sie das Zeitportal der Temporalen geschlossen, und jetzt gaben sie den energetischen Siegeln, die seit drei Jahrhunderten die Anomalie blockierten, eine neue Struktur. Energiefinger gingen von den schwarzen Kapseln aus, tasteten über die matt leuchtenden Siegel hinweg und schienen sich im Dunst kondensierender und verdampfender Zeit zu verlieren. Ein sonderbares Geräusch erklang dabei, ein dumpfes Brummen wie von einem riesigen, erwachenden Insekt. Es kroch an den steilen Hängen des Loches empor, erreichte die Ambientalblase und durchdrang sie, machte sich als eine vage Vibration in den Podien bemerkbar.
    Valdorians Blick glitt über die Gesichter der Beobachter, fand in ihnen meist Staunen und Hoffnung. Nur hier und dort entdeckte er Skepsis oder sogar Schatten von Ärger, halb verborgen und nur schwer zu erkennen. Der Gesichtsausdruck seines Vaters blieb neutral und verriet nichts, aber Valdorian wusste, was er von den Kantaki und ihrem Monopol bei der überlichtschnellen Raumfahrt hielt. Er glaubte, dass dies nur eine Schau war, von den Kantaki in Szene gesetzt, um die Zuschauer – Menschen und Repräsentanten anderer Völker – zu beeindrucken. Und um auf ihre Überlegenheit hinzuweisen.
    Valdorians Blick wanderte weiter, über die anderen Podien am Rande des Lochs, über die erwartungsvollen Mienen der Wissenschaftler. Zum Publikum zählten auch eine offizielle Delegation der Akademie der Wissenschaften und schönen Künste von Tintiran – unter ihrer Ägide sollten die Ausgrabungen fortgesetzt werden – sowie Dutzende von Studenten, viele von ihnen Subalterne, die ihr Studium mit Stiftungsgeldern der Valdorian-Unternehmensgruppe finanzierten. In ihrer Mitte …
    Er sah zwei Augen, und dort verharrte Valdorians Blick, plötzlich gefangen in Smaragdgrün und Lapislazuliblau. Die junge Frau war ihm schon einmal aufgefallen, vor wenigen Tagen in der Akademie: eine Nonkonformistin, die sich nicht um die ungeschriebenen Regeln scherte und alle Studienbereiche betrat, auch jene, in denen sich die Söhne und Töchter der Magnaten und hohen Souveränen trafen. Hochgezogenen Brauen und strengen Blicken schenkte sie keine Beachtung. Ein seltsames Verhalten für Valdorian, der sich in einer Welt bewegte, die ihm überall mit Respekt begegnete und seinen Wünschen gerecht zu werden versuchte, noch bevor er sie in Worte fasste. Ja, seltsam, aber auch … interessant.
    Die Augen dominierten das perfekte, von schwarzem Haar umrahmte Gesicht, erzählten stumm von einer anderen Welt, die Valdorian nur von außen kannte: eine Welt der Abhängigkeiten, eine Welt, deren Bewohner sich oft dem Gebot der Notwendigkeit beugen mussten. Die junge Frau, deren Namen er nicht kannte und die wie er an der Akademie studierte, bemerkte seinen Blick und erwiderte ihn. Vielleicht lag es an dem sonderbaren Brummen, das aus dem Loch mit den La-Kimesch-Fraktalen und der Anomalie kam, einem Brummen, das eine hypnotische Wirkung zu entfalten schien, dass Valdorian plötzlich dachte: Ich will sie haben. Und das war, so wusste er, überhaupt kein Problem. Keine Frau wies ihn ab, wenn sie erfuhr, dass er der Erbe der Valdorian-Unternehmensgruppe war, Rungard Avar Valdorian der Neunzehnte.
    Das Brummen schwoll an, wurde zu einem Klimpern, als unten im Loch einige zweiundzwanzig Millionen Jahre alte Fraktalbauten der La-Kimesch zerbrachen – nicht exakt

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