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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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schauderte, von unheilvollen Ahnungen erfasst. Mit dem Bündel in der einen Hand und dem Gehstock in der anderen verließ er den Schrein und ging draußen durch den Haupttunnel. Während der ersten Minuten glaubte er, ohne ein bestimmtes Ziel unterwegs zu sein, doch dann begriff er, dass seine Beine mehr wussten als er – sie waren bestrebt, ihn zu einer ganz bestimmten Höhle zu bringen.
    »Bruder Conrad?« In dem kleinen Vorraum hielt sich niemand auf. Eklund trat ein, sah sich um und bemerkte nichts Ungewöhnliches. Trotzdem schien sich eine Hand aus Eis um sein Herz zu schließen und immer fester zuzudrücken.
    Auch die Haupthöhle des Hirten war leer. Eklund hörte das leise Summen des Datenservos, und sein Blick glitt über die beiden Regalwände und den mobilen Klimaservo zum Schreibtisch. Er wollte sich schon umdrehen und gehen, als ihm zwei Dinge auffielen. Die Gegenstände auf dem Schreibtisch lagen nicht mehr parallel oder rechtwinklig zueinander. Und ein sonderbarer Geruch hing in der Luft, wie von…
    …Blut.
    Eklund trat an die Seite des Schreibtischs und sah, was dahinter lag: ein braunroter Haufen, der halb verbrannt und halb geschmolzen wirkte; an einigen Stellen ragten krumme Knochen aus der Masse. Und auf diesem Haufen, groteskerweise völlig unversehrt, ruhte der Kopf des Hirten, das schulterlange graue Haar weit ausgebreitet, das Gesicht eine Fratze des Entsetzens.
     
    Eklund verließ die Höhle des Hirten und hoffte inständig, dass ihn niemand in ihrer Nähe gesehen hatte. Mit zitternden Händen und klapperndem Gehstock eilte er durch die Tunnel. Wie lange würde es dauern, bis man Bruder Conrads Leichnam – beziehungsweise dessen Überreste – entdeckte? Und welche Konsequenzen würde sein Tod nach sich ziehen? Eklund stellte sich vor, wie die Sekuritos zurückkehrten, misstrauischer als zuvor, und noch gründlichere Ermittlungen anstellten. Er dachte an das Muster der Steine, an die Botschaft, die er empfangen hatte. Ein heiliger Auftrag… Elisabeth und andere mochten so etwas für absurd halten, aber für ihn herrschte in dieser Hinsicht absolute Gewissheit.
    Elisabeth…
    Der Junge brauchte Hilfe. Wenn Elisabeth mit ihm sprach… Vielleicht ergab sich dadurch der eine oder andere Anhaltspunkt. Vielleicht konnte sie einen Rat geben.
    Eklund rief sich innerlich zur Ordnung. Es war ein Verdacht, mehr nicht. Ein ziemlich unsinniger noch dazu. Bruder Xalon war irgendwie explodiert, und der Hirte schien… verbrannt und geschmolzen zu sein, ein Vorgang, der seinen Kopf ausgespart hatte. Wie sollte Raimon so etwas zustande bringen?
    »Es ist vollkommen verrückt«, murmelte Eklund. »Es ergibt überhaupt keinen Sinn!«
    »Was ergibt keinen Sinn?«, fragte ein verwunderter junger Bruder, der seinen Weg kreuzte.
    Eklund winkte ab und eilte weiter.
    Kurze Zeit später erreichte er seine Wohnhöhle. Raimon lag auf seiner Liege, aber er schlief nicht mehr. Seine Augen standen weit offen, und die Lippen formten ein sonderbares Lächeln, während er an die Decke starrte.
    »Raimon…« Eklund trat näher. »Bist du die ganze Zeit über hier gewesen?«
    Langsam drehte der Junge den Kopf. »Ich bin wieder hier. Ich bin ich. Ich kann sprechen.« Jäher Schmerz zeigte sich im Gesicht. »Es tut weh.«
    Eklund griff nach Raimons Hand und zog ihn langsam hoch. »Komm mit mir. Ich kenne da eine Person, die uns vielleicht helfen kann.«
     
     

19  Jagdbeginn
     
Kerberos
16. April 421 SN
17:30 Uhr
     
    Lutor dachte an Edwald Emmersons Bericht, den er inzwischen gelesen hatte, als er in den pseudorealen Darstellungsbereich blickte – die KI-Späher beendeten gerade ihre Suche, und die Ergebnisse erster Datenkorrelationen erschienen. Der Metamorph… Ein künstliches Geschöpf, als perfekte Waffe geplant und außer Kontrolle geraten. Ein mit einzigartigen Fähigkeiten ausgestattetes Wesen. Zweifellos ein gefährlicher Gegner.
    Dumpfer Schmerz veranlasste Lutor, den Blick zu senken. Die Wunde im linken Arm war längst verbunden und würde schnell heilen. Sie war kein Problem, aber ein Rätsel. Was auch immer in Anderswelten geschah, es konnte sich unmöglich auf die Physis auswirken. Doch der Fremde mit der Maske hatte ihn verletzt…
    Er verdrängte die Gedanken. Vielleicht ging diese überraschende Erfahrung auf eine Innovation bei der hiesigen AW-Technik zurück – er beschloss, sich später damit zu fassen. Derzeit erforderten die ermittelten Daten seine Aufmerksamkeit.
    Blitze gleißten, und Lutor

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