Kantaki 02 - Der Metamorph
zu verlieren. Sie kamen an Hütten vorbei, die meistens aus Holz bestanden, einige aber auch aus zurechtgeschnittenen Synthomasse-Teilen. Blecherne Musik kam aus einigen Behausungen.
Schließlich erreichten sie eine Hütte, die noch schäbiger zu sein schien als die meisten anderen. »Bitte warten Sie hier«, sagte einer der Jugendlichen zu Lutor und duckte sich durch den schmalen Eingang. Die beiden anderen Halbwüchsigen wichen so weit von dem Mann fort, wie es der Steg zuließ. Lutor lächelte im Schatten unter seiner Kapuze, die er sich wieder über den Kopf gezogen hatte.
Stimmen kamen aus der Hütte, zu leise, als dass er einzelne Worte hätte verstehen können. Zwei von ihnen klangen erst verärgert und sogar zornig, dann überrascht.
Kurze Zeit später kehrte der Junge zurück. »Alles klar. Sie können hinein.« Er streckte die Hand aus. »Unsere neunzig.«
Lutor holte mehrere Kreditmarken hervor, und dabei konnte der Junge einen Blick auf die Waffen an seinem Gürtel werfen, unter ihnen ein Hefok und ein Mikronautenbündel. Die nächste Lampe war ein ganzes Stück entfernt, aber Lutor sah trotzdem, wie der Jugendliche erblasste. Er nahm die Transtel-Kreditmarken entgegen und eilte zusammen mit seinen beiden Freunden fort.
Lutor betrat die Hütte.
Ein junges Paar erwartete ihn, Anfang zwanzig, die Augen groß im Halbdunkel. Auf der einen Seite glühte ein Chemostab, der langsam die Farbe veränderte, aber sein Licht schien die Schatten nur tiefer werden zu lassen.
»Hundert?«, fragte der junge Mann hoffnungsvoll.
»Hundert«, sagte Lutor und sah sich nach einer Sitzgelegenheit um. Der Mann deutete auf die herumliegenden Kissen, und Lutor nahm mit überkreuzten Beinen Platz, strich die Kapuze zurück. Die junge Frau saß in einer Ecke der Hütte, wie eingezwängt zwischen einem kleinen Proviantschrank und einem abgenutzten Hygienemodul. »Haben Sie vorgestern Abend die Schießerei gesehen?«
Der junge Mann nickte. »Eine verdammt üble Sache. Es hat Rico und Rita erwischt. Möchten Sie wissen, wer dahintersteckt?«
»Es ist mir gleich, wer geschossen hat«, sagte Lutor. »Was ist mit Raimon?«
Die beiden jungen Leute wechselten einen überraschten Blick. »Es geht Ihnen um Raimon !«
»Haben Sie gesehen, wie er verletzt wurde?«
» Verletzt? «, wiederholte die Frau verblüfft.
»Man hat ihn in ein nahes Hospital gebracht, und dort wurde er operiert.«
Die junge Frau rutschte ein wenig nach vorn, und der junge Mann schüttelte den Kopf. »Da muss irgendein Missverständnis vorliegen. Raimon war tot, und zwar definitiv. «
»Sind Sie ganz sicher?«, fragte Lutor.
»Absolut. Wir haben uns über ihn gebeugt und das Blut gesehen. Die Kugel muss direkt das Herz getroffen haben. Mann, es war wirklich nicht sein Glückstag.«
Lutor stand auf, und nach kurzem Zögern folgte der junge Mann seinem Beispiel.
»Mehr wollen Sie nicht wissen?«, fragte er.
»Gibt es nicht den geringsten Zweifel daran, dass Raimon tot war, als Sie ihn sahen? Bevor man ihn fortbrachte?«
»Er war absolut hinüber. Niemand kann eine solche Schussverletzung überleben.«
Lutor griff nachdenklich in die Tasche, holte weitere Kreditmarken hervor und gab sie dem jungen Mann. Dann wandte er sich dem Ausgang zu.
»Wenn Sie noch einmal eine Auskunft benötigen…«, sagte der Mann hoffnungsvoll.
»Dann weiß ich, an wen ich mich wenden kann.« Lutor trat nach draußen in den Regen. Er verzichtete auf die Kapuze, ging einige Schritte, verharrte dann am Geländer des Stegs, blickte auf einen Tümpel hinab und beobachtete, wie die Regentropfen kurzlebige Krater ins schmutzige Wasser schlugen. Ein Toter, der wieder zum Leben erwachte, operiert wurde und sich innerhalb weniger Stunden erholte. Nun, vielleicht hatten sich die beiden jungen Leute geirrt. Manche Schussverletzungen waren sehr blutig, ohne deshalb tödlich zu sein. Aber wenn sie sich nicht geirrt hatten, wenn Raimon wirklich tot gewesen war…
Lutor ging wieder los und beschloss, dem Hospital einen Besuch abzustatten.
Die Frau sah müde aus, fand Lutor, aber der Glanz in ihren grünen Augen hatte sich nicht getrübt.
»Ich bin Lutor, Sonderbeauftragter des Globaldirektors Lukert Turannen«, sagte er. »Ich stelle Ermittlungen an. Der Autokrat hat meine Vollmachten bestätigt.«
Er reichte der Frau seinen Identer. Sie warf einen kurzen Blick darauf und gab ihn zurück.
»Elisabeth Demetrio«, sagte sie, obwohl ihr Name auf dem kleinen Schild dicht unter dem
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