Kantaki 02 - Der Metamorph
betrachtete ihn nachdenklich.
»Den dürfen wir nicht verwenden«, sagte Jonathan. »Die Kantaki würden uns identifizieren und zweifellos Maßnahmen gegen uns ergreifen. Immerhin haben Sie Vater Hirl getötet, den Kantaki, dessen Schiff die Pilotin Esmeralda flog.«
Er hat es nicht besser verdient, dachte Valdorian und verband Genugtuung mit diesem Gedanken. Das Flüstern im Hintergrund seiner mentalen Welt wurde kurz lauter, dann wieder leiser.
Zeitquanten veränderten ihre Bedeutungsstruktur. Manchmal genügte selbst ein Gedanke, um die Wahrscheinlichkeit der Entwicklungsmuster zu beeinflussen.
»Sie haben Recht«, sagte Valdorian und deutete zur Tür. »Kommen Sie.«
Der kurze Flur führte in einen Aussichtsraum der kleinen Habitatkapsel, und Valdorian blieb am breiten Fenster stehen, das Ausblick gewährte in die Transportblase des Kantaki-Schiffes und den Transraum jenseits davon. In den filigranen, spinnwebartigen Netzwerken aus Kraftfeldern und Monofaser-Leinen steckten nicht nur die üblichen Containergruppen und Passagierkapseln, sondern auch spezielle Frachtbehälter, die interplanetare Kampfschiffe enthielten: neunzig Einheiten der Tiger-, hundertfünfzig der Panther- und dreihundertfünfzig der Wolf-Klasse – fast die ganze Streitmacht des Arsenalplanetoiden im System 437/Skalgard 1. Die Besatzungen befanden sich bereits an Bord, ebenso die für den Einsatz auf Kerberos und den anderen Planeten und Monden im Hades-System vorgesehenen Soldaten: insgesamt fünfundvierzigtausend Individuen, für den Kampf geschaffen, absolut zuverlässig und loyal. Einmal mehr wunderte es Valdorian, dass die Kantaki Truppen und militärische Ausrüstung transportierten, ohne Einwände dagegen zu erheben. Offenbar verstieß so etwas nicht gegen ihren Sakralen Kodex. Aber mir zusätzliches Leben zu geben, mehr Zeit – das ließ sich nicht mit ihren verdammten Regeln vereinbaren.
Mit einem letzten Blick auf das riesige Kantaki-Schiff, das die Transportblase durch den Transraum zog, wandte sich Valdorian vom Fenster ab und betrat einen anderen der insgesamt fünf Flure, die strahlenförmig vom Aussichtsraum ausgingen. Schon nach wenigen Metern erreichte er die Tür einer Kabine, vor der zwei Soldaten aus dem Arsenal Wache hielten. Hoch aufgerichtet und reglos wie Statuen standen die beiden Männer da, die Haut grau, die Köpfe haarlos, die Gesichter schmal, mit vorstehenden Jochbeinen, die Augen schwarz wie Obsidian, eine Kombination aus organischer Materie und Mikroservi, die eine weit über das Normale hinausgehende visuelle Wahrnehmung ermöglichten. Die beiden Soldaten trugen leichte Kampfanzüge, grau wie ihre Haut, mit Ausrüstungsgegenständen und Waffen an den Instrumentengürteln.
Valdorian deutete auf die Tür.
Einer der beiden Männer entriegelte sie mit einem elektronischen Schlüssel, der an einen Identer erinnerte, zog einen Hefok und trat ein.
Valdorian und Jonathan folgten ihm.
Enbert Dokkar und Benjamin Valdorian sahen ihnen entgegen.
Valdorian ignorierte seinen Sohn, der ihn mit einer sonderbaren Mischung aus Entsetzen und Verblüffung anstarrte, wandte sich an Dokkar, dessen Gesicht steinern blieb und nichts verriet.
»Ich verlange meine sofortige Freilassung«, sagte das Oberhaupt der Allianz.
Valdorian deutete auf den Soldaten, der neben der Tür stehen blieb. »Ein Wort von mir, und er erschießt Sie.« Er streckte die Hand aus. »Geben Sie mir Ihren Identer.«
Enbert Dokkar zögerte kurz, holte ihn dann hervor. »Was wollen Sie damit?«
»Die Kantaki möchten dafür bezahlt werden, dass sie uns nach Kerberos bringen. Die Allianz ist sicher bereit, die Transportkosten zu übernehmen, nicht wahr?« Valdorian nahm den Identer entgegen und reichte ihn Jonathan. »Erledigen Sie alles«, wies er seinen Sekretär an.
Jonathan verließ das Passagierquartier.
»Wie ist das möglich?«, fragte Dokkar.
Valdorian lächelte kühl und sah auf den Mann hinab, der viele Jahre lang sein erbittertster Gegner gewesen war. »Vom Triumphator zum Verlierer, innerhalb weniger Sekunden. Wie schnell sich das Blatt wenden kann.«
»Wie ist das möglich?«, wiederholte Enbert Dokkar und deutete auf Valdorians Gesicht.
»Erstaunlich, nicht wahr?« Valdorian drehte kurz den Kopf und sah zu Benjamin, der versuchte, in seinem Sessel zu schrumpfen.
»Das ist nicht das Ergebnis einer gewöhnlichen Resurrektion.«
»Das Wie spielt keine Rolle. Wichtig ist nur: Hundert Jahre sind von mir genommen. Ich bin wieder
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