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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Kleidung, zerzauste ihm das Haar.
    Außer ihnen befand sich niemand an Bord. Eklund brauchte nicht nachzusehen – er wusste es.
    Er ging übers Deck, wieder begleitet vom Schmerz im Rücken, stützte sich mit seinem Gehstock ab.
    »Wohin sind wir unterwegs?«, fragte er, als er sich dem Jungen genähert hatte.
    Raimon antwortete nicht und streckte die Arme nach etwas aus, das nur er zu sehen schien.
    »Suchst du den richtigen Kurs, den richtigen Weg?«, fragte Eklund sanft.
    Der Junge antwortete noch immer nicht. Eklund trat an seine Seite und sah ihm ins Gesicht. Tränen rollten über Raimons Wangen, während sein Blick in die Ferne gerichtet war und dort nach etwas suchte.
    Eklund hob den Arm, legte ihn um Raimons Schultern…
    Und stand wieder im Zimmer mit dem Scanner. Aber seltsamerweise schien er nicht ganz aus der Überwelt zurückgekehrt zu sein.
    Elisabeth stand an der anderen Seite der Liege, und irgendetwas zog sie wie ein Gummiband in die Länge. Die Wände wölbten sich nach innen, und seltsame Geräusche erklangen, dumpfes Brummen in verschiedenen Tonhöhen. Eklund begriff plötzlich, dass es ferne Sirenen und nahe Stimmen waren, gedehnt und verzerrt. Widerstreitende Empfindungen suchten ihn heim: Er glaubte zu fallen und fühlte sich gleichzeitig von etwas nach oben gerissen. Eklund blinzelte mehrmals, und bei jedem Lidschlag änderte sich Elisabeths Position. Sie stand an der Liege, dann an der Tür, danach in einer Ecke des Zimmers.
    Das letzte Blinzeln brachte die Realität zurück und Zeit und Raum wieder ins Lot. Alles schien normal zu sein – bis auf das Heulen von Sirenen in der Stadt und die aufgeregten Stimmen jenseits der Ruhe.
    »Was ist passiert?«, fragte Elisabeth verwundert; sie wankte und hielt sich am Rand der Liege fest.
    »Ich bin mit Raimon im Elysium gewesen«, sagte Eklund. »Und dann… Ich weiß nicht.«
    Die Ärztin ging zur Tür. »Ich sehe mal nach, was da draußen los ist.«
    Eklund wandte sich dem Jungen zu, der inzwischen wieder lag. Die Platzwunde an seiner Stirn… Sie schloss sich. Die Ränder wuchsen zu, das Blut verschwand irgendwie – vielleicht wurde es von der Haut absorbiert –, und wenige Minuten später war von der Verletzung überhaupt nichts mehr zu sehen. Die dunklen Augen des Jungen blickten ins Leere, auch dann, als Eklund sich über ihn beugte.
    »Ein Selbstheiler, kein Zweifel.« Und noch viel mehr als das, dachte Eklund und verband mit diesen Worten sowohl Furcht als auch Hoffnung. »Wer bist du, Raimon?«, fragte er leise, ohne eine Antwort zu erwarten.
    »Sie braucht meine Hilfe«, sagte Raimon.
    Eklund beugte sich näher. »Wer? Wer braucht deine Hilfe?«
    »Sie.«
    »Wer ist sie?«
    »Ich…« Das glatte, entspannte Gesicht des Jungen wurde zu einer Fratze. »Ich weiß es nicht«, brachte er gequält hervor. »Ich suche nach ihr, aber die anderen Stimmen… Sie verwirren mich. Sie bringen mich vom Weg ab, der zu ihr führt. Und sie wollen, dass ich töte.«
    »Du brauchst niemanden zu töten, wenn du nicht willst«, sagte Eklund und hörte den fast beschwörenden Unterton in seinen Worten.
    »Ich bin ich«, flüsterte Raimon, und die Schatten anderer Gesichter huschten durch seine Miene. »Ich bin wir. Wir sind ich. Ich bin tausend. Ich bin zahllos. Und sie alle sollen töten, töten… «
    Die Tür öffnete sich, und Elisabeth kehrte zurück. Sie wirkte recht besorgt. »Irgendetwas hat Dutzende von Levitatorwagen in der Stadt abstürzen lassen. Es gibt Tote und viele Verletzte…«
    Eklund verstand. »Du wirst gebraucht.« Er deutete auf den Jungen. »Sieh nur die Wunde.«
    Elisabeth kam näher. »Es war eine große Platzwunde, die ziemlich stark blutete. Ich erinnere mich genau daran.«
    »Er hat sich selbst geheilt.«
    »Eines steht fest: Es gibt mehr als nur ihn da drin.« Elisabeth deutete auf Raimons Kopf. »Das hat der Neuroscanner deutlich gezeigt.« Sie reichte Eklund ein kleines, zylinderförmiges Gerät. »Hier, nimm das. Ich weiß, dass du nichts von diesen Dingen hältst, aber wenn du den Kom-Servo bei dir hast, können wir jederzeit miteinander reden. Das soll kein Rauswurf sein, ganz im Gegenteil. Es wäre am besten, wenn ihr hier wartet. Ich weiß inzwischen, dass mehr als nur eine Person in ihm steckt, aber wir haben noch immer keine Antwort auf die Frage, wie er das Apartment verlassen und wieder zurückkehren konnte. Es sollten weitere Untersuchungen stattfinden. Und denk an den Ermittler, Eklund. Ich habe keinen guten Eindruck

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