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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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töten.«
    »Darauf hast du schon einmal hingewiesen. Warum der plötzliche Gesinnungswandel? Bei unseren anderen Begegnungen hattest du keine Bedenken, mir gegenüber Gewalt anzuwenden. Du hättest mich fast umgebracht.«
    »Bei jenen Gelegenheiten war ich nur zum Teil ich. Jetzt bin ich ganz.«
    Lutor schüttelte den Kopf, als er diese Worte hörte. »Das Leben willst du sein? Wohl höchstens künstliches Leben. Du bist das Werk eines Kreators, ein armseliges künstliches Geschöpf, weißt du das? Du wurdest geschaffen, um zu töten, als eine Waffe, und jetzt willst du das Leben sein?«
    »Und Sie?«, erwiderte der Metamorph. »Glauben Sie, mehr zu sein als ich?«
    »Ich bin Lutor Kordun aus dem Kordun-Clan von Aburrka«, sagte Lutor mit verächtlichem Stolz. »Die Wurzeln meiner Familie reichen durch den Zeitkrieg bis in die Zweite Dynastie zurück. Ich…«
    »Nein«, unterbrach ihn der Metamorph, und plötzlich klang seine Stimme ganz anders. Sie war nicht mehr die eines Kindes, sondern gehörte einem weisen Erwachsenen. »Sie sind dies. « Er hob die Hand.
    Vor Lutor flimmerte die Luft, und ein Spiegel ohne Substanz entstand. Doch darin sah er nicht sich selbst, sondern eine gestaltlose Gewebemasse, eine unter mehreren in einem Laboratorium. Und als sie wuchs und Gestalt annahm, als das Gesicht Züge gewann…
    »Nein!«, rief Lutor und schlug mit dem Schwert zu, doch die Klinge fuhr durch den Spiegel, ohne dass er sich veränderte. Nein!, heulten seine Gedanken, denn die Bilder im Flirren vor ihm zeigten den Kern seines Wesens: ein komplexes, von NHD-Kreatoren entwickeltes Programm mit einer autosuggestiven Erinnerungsmatrix. Was er für Kindheit und Jugend gehalten hatte, waren nur… Daten, nie erlebt und erfahren, kalte, leblose Informationen.
    Zorn entflammte mit ihm. »Es ist ein Trick!«, heulte Lutor. »Irgendetwas hindert dich daran, gegen mich zu kämpfen, und deshalb versuchst du auf diese Weise, mich zu besiegen!«
    Von einem Augenblick zum anderen stürmte er los, über die windumtoste Plattform, auf den Metamorph zu, der nicht etwa auswich, sondern die Arme ausbreitete, wie um ihn willkommen zu heißen. Lutor wollte zuschlagen, den Kopf vom Rumpf trennen, doch plötzlich war das Schwert nicht mehr da, und einen Sekundenbruchteil später prallte er gegen den Jungen.
    Sie stürzten von der Plattform, in den Sturm und in die Tiefe.
     
    »Er hält ihn fest«, flüsterte Eklund. »Lutor hält ihn fest. Und solange er ihn festhält, kann Raimon nicht durchs Portal.«
    »Wovon redest du da?«, fragte Terod.
    Hilf mir, flüsterten die Tränen des Jungen. Bitte, hilf mir.
    Eklund sah sich um, blickte zu den drei Ringen des Mandalas und schätzte die Entfernung ab. Ja, wenn er seine ganze Kraft zusammennahm…
    Er trat hinter Lutor und den Jungen, wich einige Meter zurück und atmete tief durch.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Terod. »Was hast du vor?«
    »Ich glaube, es ist die einzige Möglichkeit«, erwiderte Eklund. »Allein kann er das Portal nicht erreichen.« Er holte noch einmal tief Luft, und dann lief er los, so schnell er konnte – es sah aus, als wollte sich ein Greis auf einen Jungen stürzen. Mit seinem schmerzenden Rücken wäre er dazu gewiss nicht imstande gewesen.
    Etwa einen halben Meter vor Raimon prallte Eklund gegen die unsichtbare Barriere, so heftig, dass er befürchtete, sich mehrere Knochen gebrochen zu haben. Wie in einer massigen Kugel gefangen, die sich nur schwer bewegen ließ, neigte sich Raimon starr und steif dem Mandala entgegen, und mit ihm Lutor. Eklund versuchte, sich von dem unsichtbaren trennenden Etwas zu lösen, aber er klebte daran fest. Das Licht des Mandalas kam näher, wurde heller, strahlte wie freudig…
    Ein Klirren, wie von tausend zerspringenden Glasscheiben, ein Heulen wie von hundert Orkanen, ein Zerren wie von der Schwerkraft eines Schwarzen Lochs…
    Raimon, Lutor und Eklund berührten das Mandala und verschwanden darin.
     

Mutter Krsah
     
Hades-System
17. April 421 SN
10:10 Uhr Kerberoszeit
     
    Die Detritusschale des Hades-Systems – eine Wolke aus Eis- und Gesteinsbrocken, die fast jedes Sonnensystem umgab und aus seiner Entstehungszeit stammte – brach auseinander, als die vom Keim geschaffene Separation sie von der Gravitation des Zentralgestirns abschnitt. Jedes einzelne der zahllosen Objekte, vom Staubkorn bis zum Planetoiden, gehorchte nur noch seinem eigenen Bewegungsmoment, und es kam zu Kollisionen, als sich die Wolke in den

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