Kantaki 02 - Der Metamorph
Mandala – das Portal – zu berühren.
»Endlich begegnen wir uns wirklich«, sagte jemand, und eine Gestalt löste sich aus den Schatten einer Nische. »Wenn ich mich vorstellen darf… Ich bin Lutor.«
Seit er die Zitadelle betreten hatte, fühlte sich Lutor immer mehr wie der Anderswelten-Krieger Kordun. Er blieb er selbst, zumindest physisch, doch in seinem Selbst geschah etwas, das er als sehr angenehm empfand. Er spürte die Kraft, die Kordun erfüllte, wenn er seinen Feinden gegenübertrat. Mehr als jemals zuvor glaubte er sich imstande, mit jedem Widersacher fertig zu werden. Auch mit dem Metamorph.
Langsam näherte er sich ihm, dem Jungen, der kein Junge war, und in seinen Augen entdeckte er etwas, das er bereits in den Augen des Fremden mit den vielen Gesichtern gesehen hatte.
»Es ist so weit«, sagte er. »Die Entscheidung fällt hier.« Auch die Worte fühlten sich richtig an. An diesem Ort gab es keinen Platz für Zweifel.
»Welche Entscheidung?«, fragte der Alte neben Raimon.
»Ich nehme an, Sie sind Bruder Eklund. Dies geht Sie nichts an.«
Der Greis trat wie schützend vor den Jungen. »Da irren Sie sich. Was Raimon betrifft, geht auch mich etwas an.«
Wusste der Narr nicht, wer der vermeintliche Junge war? »Treten Sie zur Seite.« Und zu dem Jungen: »Willst du dich hinter ihm verstecken?«
»Was wollen Sie?«, fragte der Greis.
»Ich will ihn. Verschwinden Sie.«
Der Junge trat hinter dem Alten hervor und sah kurz zu ihm auf. »Ich muss allein mit ihm fertig werden. Du könntest nichts gegen ihn ausrichten.«
»Raimon…«
»Sie haben ihn gehört. Er scheint vernünftiger zu sein als Sie.« Lutor trat noch einen Schritt näher…
… und fand sich in einer anderen Welt wieder, oder in einer anderen Sphäre. Er stand auf einer runden Plattform, die etwa zwanzig Meter durchmaß. Der Himmel war schwarz wie die Nacht, obgleich fünf Sonnen an ihm glühten. Aber waren es wirklich Sonnen? Lutor sah genauer hin und glaubte, darin Augen zu erkennen, die auf ihn herabstarrten. Er setzte sich in Bewegung, ging langsam zum Rand der Plattform und blickte in die Tiefe. Weit unten schwebten die weißen Wolken einer namenlosen Welt, wie ein flauschiger Teppich, und unter ihnen, so wusste er, warteten schroffe Felsen darauf, den Körper eines Fallenden zu zerfetzen. Eine Brüstung gab es nicht, und was auch immer die Plattform trug, es blieb Lutors Blicken verborgen; das Summen von Levitatoren fehlte. Er hörte nur das Fauchen des Windes, der an der Plattform vorbeistrich, ohne sie zu berühren.
»Ich bin das Leben«, ertönte eine Stimme hinter Lutor. »Ich werde nie wieder töten.«
Er drehte sich um und sah den Jungen in der Mitte der Plattform. Mit ruhigen Schritten trat er auf ihn zu, erneut begleitet von dem Gefühl herrlicher Kraft. »Dann habe ich ja nichts zu befürchten«, sagte er voller Sarkasmus und griff an. Er sprang vor, hob die rechte Hand – die plötzlich ein Schwert hielt – und holte zu einem wuchtigen Hieb aus, zu dem bisher nur Kordun imstande gewesen war.
Raimon sprang zurück, und Lutor bemerkte, dass die Hände seines Gegners leer blieben.
»Warum willst du mich töten?«
»Weil ich mich von niemandem – von niemandem – besiegen lasse.«
»Was sind Sieg oder Niederlage? Welche Bedeutung hat so etwas?«
»Willst du mich mit dummen Fragen verwirren?« Lutor sprang erneut, weiter und höher, als es ihm ohne die wundervolle Kraft möglich gewesen wäre, und noch vor der Landung schlug er erneut zu. Diesmal traf die Klinge mehr als nur leere Luft.
Raimon tastete mit der linken Hand nach der Schnittwunde im rechten Oberarm, die sich praktisch sofort wieder schloss. Das Blut an seinen Fingern verschwand.
»Lassen Sie mich los. Ich muss zu ihr. Sie wartet auf mich.«
»Ich halte dich nicht fest.« Lutor näherte sich erneut, das Schwert bereit.
»Doch, Sie halten mich fest. In der Kraft. Sie nehmen einen Teil ihrer Energie auf, und damit fesseln Sie mich.«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon du redest.« Lutor stieß zu, rammte die Klinge so tief in den Leib des Metamorphs, dass sie ihn ganz durchdrang und am Rücken wieder austrat.
Schmerz huschte wie ein Schatten durch Raimons Gesicht, und mit einem leisen Ächzen sank er auf die Knie. Doch eine Sekunde später stand er wieder auf und trat einen Schritt zurück, sodass die Klinge aus seinem Körper glitt. Blut strömte aus der Wunde, sammelte sich in einer Lache auf dem Boden und kroch an
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