Kantaki 02 - Der Metamorph
leicht.« Eklund spürte die gleiche Schwäche wie am Ende der Treppe im Elysium. »Eigentlich ist es nie leicht. Zumindest nicht für mich. Es gibt andere Heiler, die mehr von der Kraft in sich aufnehmen und verwenden können. Offenbar ist meine Gabe nicht sehr groß.«
»Ich würde mich freuen, die Hälfte davon zu haben«, sagte Elisabeth. »Ich könnte sie hier verdammt gut gebrauchen.« Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. »Danke, Eklund. Wenn ich irgendetwas für dich tun kann…«
»Du hast einen schwer verletzten Jungen erwähnt, der sich ungewöhnlich schnell erholt.«
Elisabeth schmunzelte. »Ich führe dich zu ihm. Aber zuerst frühstücken wir zusammen. Du siehst aus, als könntest du eine Stärkung vertragen, und ich brauche einen Aromakaffee.«
Eklund blickte auf seinen Teller: Er hatte drei Croissants und zwei große Päckchen Marmelade aus den Syntho-Maschinen der Hospitalküche gegessen. Seit einiger Zeit spürte er nach Heilungen, besonders nach schweren, großen Appetit, so als hätte er dabei physische Energie verbraucht, obgleich es sich doch um eine mentale Angelegenheit handelte.
Sie saßen an einem Tisch auf der rückwärtigen Seite des Hospitals, unter einer Schatten spendenden Markise, inzwischen war die Stadt erwacht, und ihre Stimme – der Lärm tausender Fahrzeuge, viele von ihnen bodengebunden, manche mit Levitatoren ausgestattet – war auch hier an der Peripherie zu hören.
Eklund hob den Blick und sah die Sorge in Elisabeths Gesicht.
»Was belastet dich?«
»Wenn ich den Autokraten in die Finger bekäme… Ich würde ihm seinen verdammten Hals umdrehen.«
Eklund lachte leise. »Und anschließend hättest du einen Patienten und würdest sofort Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten.«
Die Ärztin lächelte schief, trank einen Schluck Aromakaffee, ließ den Becher sinken und schloss beide Hände darum, wie auf der Suche nach Wärme, obwohl es daran gewiss nicht mangelte. »Du weißt ja, wie es bei uns aussieht. Wenn es allein nach dem Bedarf ginge… Wir brauchen eine Erweiterung, mehr Betten, mehr Personal und moderneres Gerät. Erst recht, wenn sich das Syndrom wieder ausbreitet. Stattdessen wird man die Mittel für uns kürzen. Das habe ich gestern erfahren. Das Urbane Symposion muss sparen, heißt es. Und das Symposion untersteht dem Autokraten. Für ihn ist genug Geld da.« Elisabeth deutete übers Delta hinweg in Richtung der schwimmenden künstlichen Insel, auf der sich das Domizil des Autokraten erhob, ein Gebäudekomplex, den er für die moderne Version eines mittelalterlichen Schlosses hielt: ein Durcheinander aus Mauern, Türmen, Zinnen, Toren, Minaretten, Wehrgängen, offenen Galerien und anderen Dingen. Und diese architektonische Geschmacklosigkeit präsentierte alle Farben des Spektrums, auf eine Art, die das Auge eines jeden Ästheten beleidigte. »Zum Glück gibt es selbst unter den Autarken, Souveränen und Magnaten von Chiron einige Leute, die sich so etwas wie Moral bewahrt haben und uns gelegentlich mit Spenden helfen. Andernfalls hätten wir das Hospital längst schließen müssen.«
»Vielleicht haben sie ein schlechtes Gewissen«, sagte Eklund nur halb im Scherz und trank ebenfalls einen Schluck Aromakaffee.
»Ohne euch Heiler sähe es hier noch schlimmer aus. Wusstest du, dass euch das Urbane Symposion zu einem offiziellen Teil des Gesundheitswesens gemacht hat? Die medizinische Hilfe der Heiler in Chiron und in den anderen Städten, euer Engagement… Es ist alles verplant.« Elisabeth seufzte. »Wie konnte es dazu kommen? Kerberos hat ein so großes Entwicklungspotenzial. Dies könnte eine gute Welt sein.«
»Für gewisse Leute ist sie das.«
»Nicht für die dort«, sagte Elisabeth und deutete zum nahen Bidonville. »Ist das nicht seltsam? Es kommen noch immer Einwanderer hierher, in der Hoffnung auf Glück und Reichtum. Es müsste doch längst genug abschreckende Beispiele geben.«
»Kerberos bietet etwas, das woanders nicht so leicht zu haben ist: schöne Träume.«
»Träume, die die Träumer zerstören, manche schnell, andere langsam. Und gewisse Leute verdienen verdammt viel Geld damit.« Elisabeth sah erneut zur künstlichen Insel. »Warum lässt deine Weltseele so etwas zu?«
»Vielleicht stellt sie uns auf die Probe«, erwiderte Eklund und gab damit eine Antwort, die Priester seit Jahrtausenden gaben. Er fügte ein Lächeln hinzu und wies so darauf hin, dass er sehr wohl um die Absurdität dieser Worte wusste. »Warum fällt ein
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