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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Zwischenfall im Labor, das Feuer, der Kontakt mit dem Programmierungsmodul und die Flucht des Metamorphs. Er rechnete bald mit einem ersten Ermittlungsbericht und war entschlossen, die Untersuchungen fortzusetzen, zumindest bis zum Eintreffen des Spezialisten, den der NHD-Globaldirektor nach Kerberos schickte – Lorgards Anweisung, mit dem Autokraten zu sprechen, hatte einen Hinweis darauf enthalten.
    Die Tür öffnete sich, und eine Stimme erklang. »Seine Durchlaucht ist jetzt bereit, Sie zu empfangen.«
    Emmerson stand so auf, als wären nur zwei oder drei Minuten vergangen, obwohl er mehr als eine Stunde gewartet hatte. Der Mann ihm gegenüber war mindestens zwanzig Zentimeter größer als er, trug dezente zivile Kleidung und sah ihn aus Augen an, die fast völlig schwarz waren und kaum Weißes enthielten, Hinweis darauf, dass er Perfid nahm, eine der vielen Drogen auf Kerberos, und eine sehr teure. Sie schärfte das Wahrnehmungsvermögen, gab ihm eine fast schmerzhafte Intensität, und angeblich verlieh sie vage telepathische Fähigkeiten. Emmerson versuchte, seine Gedanken unter Kontrolle zu halten, als er dem »Assistenten« durch einen breiten Flur mit großen, ovalen Fenstern folgte. Auf der einen Seite gewährten sie Blick in Richtung Chiron, auf der anderen in den Innenhof des Schlosses. Rüstungen standen an Säulen, die eine gewölbte, mit Fresken geschmückte Decke trugen, wie die leeren Hüllen archaischer Krieger. Vor einer weiteren, kleineren Tür blieb der Mann stehen. »Er erwartet Sie«, sagte er knapp, drehte sich um und ging in die Richtung fort, aus der sie gekommen waren.
    Emmerson öffnete die Tür, trat hindurch und ging eine kurze Treppe hoch, die zur Plattform eines Turms führte. Zinnen säumten sie, und an den Wehrmauern standen sogar einige – vermutlich pseudoreale – Kanonen. Doch nicht sie fingen Emmersons Blick ein, sondern das Gebilde auf der Plattformmitte, ein Etwas, das aus einer weichen, teilweise feucht glänzenden Masse bestand und wie der Kothaufen eines Giganten aussah. Der Autokrat stand auf einer kleinen Levitatorscheibe, sauste mit ihr um die Masse herum, nach oben und unten, fügte hier etwas hinzu, nahm dort etwas weg, knetete und glättete an anderen Stellen.
    »Na, was halten Sie davon?«, rief Konstantin Alexander Stokkart begeistert und schwebte zum oberen Teil des Gebildes. Dort bohrte er die Faust in die weiche Masse, glitt dann einen Meter zurück und betrachtete sein Werk. »Ich konnte die Arbeit unmöglich unterbrechen, verstehen Sie? Wenn mich die Stimme der Kunst ruft, muss ich gehorchen.«
    Emmerson trat näher und nahm einen sonderbaren Geruch wahr, wie eine Mischung aus Salz, Meer und verwesendem Fisch. Offenbar bestand der Haufen aus Algen-Panaschee. Er rümpfte unwillkürlich die Nase, als er sich vorstellte, wie das Zeug in einigen Tagen riechen würde – kein Wunder, dass der Autokrat dieses »Kunstwerk« nicht in einem geschlossenen Raum geschaffen hatte, sondern auf einem Turm, unter freiem Himmel.
    »Es ist… eindrucksvoll«, sagte er.
    Der Autokrat besah sich sein Werk von allen Seiten. Das schulterlange weiße Haar wehte im Wind, ebenso die leichte, offene Hemdjacke. Die bloßen Arme waren bis zu den Ellenbogen grünbraun, ebenso wie der fast fünf Meter hohe Haufen.
    Emmerson trat ein wenig zur Seite, sodass der Wind den Geruch von ihm fortwehte.
    Stokkart landete, deaktivierte die Levitatorscheibe und breitete die Arme aus. Wieder erfasste der Wind Haar und Hemd. Trotz des weißen Haars war der Autokrat noch vergleichsweise jung, Mitte vierzig, und in diesem Fall entsprach das Erscheinungsbild der Realität, denn Stokkart hatte, soweit Emmerson wusste, noch keine Resurrektion hinter sich.
    »Was stellt es dar?«, fragte er aus reiner Höflichkeit.
    Der Autokrat richtete einen erstaunten Blick auf ihn. »Ist das nicht offensichtlich? Diese Skulptur bringt mit ihren subtilen Formen und dem Zusammenspiel von innerer Struktur und äußerer Beschaffenheit die Komplexität des Universums zum Ausdruck. Deshalb konnte ich Sie nicht zum vereinbarten Termin empfangen; ich musste dieses Kunstwerk fertig stellen.«
    »Ich fürchte, es wird nicht annähernd so lange von Bestand bleiben wie das von ihr verkörperte Universum.«
    »Genau deshalb habe ich das Algen-Panaschee als Darstellungsmaterial gewählt. Es symbolisiert die Entropie in der uns umgebenden Wirklichkeit, den Zerfall allen Seins.«
    Im hageren Gesicht des Autokraten sah Emmerson die

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