Kantaki 02 - Der Metamorph
steuerte er den Levitatorwagen durchs Drachenmaul in einen kleinen Hangar, in dem es keine geraden Flächen und Linien zu geben schien. Alles war krumm und gewölbt, und grelle Farben schmerzten in den Augen.
Zwei Wächter traten ihm entgegen, als er ausstieg. Sie trugen wie aufgeplustert wirkende Phantasiekostüme, sahen darin aus wie närrische Harlekine: das eine Hosenbein weiß, das andere rot, hier bunte Tupfer und Kringel, dort ineinander übergehende geometrische Formen.
»Wir sind beauftragt, Sie zu Seiner Durchlaucht zu bringen«, sagte einer der beiden Wächter.
»Gehen wir«, erwiderte Emmerson schlicht.
Der zweite Wächter richtete einen mobilen Sondierer auf ihn und blickte auf die Anzeigen des Geräts. Emmerson kannte diese Untersuchungen von seinen früheren Besuchen und hatte deshalb darauf verzichtet, Waffen oder irgendwelche elektronischen Geräte mitzunehmen. So etwas war auch gar nicht nötig.
Sie begannen mit dem üblichen langen Weg durch Flure, Prunkzimmer und Säle, vorbei an den Dingen, die das »künstlerische Genie« des Autokraten geschaffen hatte: Skulpturen, die nichts Erkennbares darstellten und denen jeder tiefere Sinn fehlte; Gemälde von Personen mit mehreren Augen und Nasen, und immer grinste ein böses Gesicht am Himmel; andere Bilder, die dem Auge des Betrachters nur Farbspritzer darboten. Überall gab es von Stokkart komponierte Hintergrundmusik, in der Emmerson noch nie so etwas wie eine Melodie hatte entdecken können. In manchen Alkoven und Nischen flüsterte die aufgezeichnete Stimme des Autokraten aus Lautsprechern und zitierte endlos aus literarischen Werken. Emmerson versuchte, sich von all diesen Dingen nicht stören zu lassen, sie gar nicht bewusst zur Kenntnis zu nehmen. Stattdessen dachte er erneut an den Zwischenfall im Laboratorium, an die noch stattfindenden Ermittlungen und daran, was der Metamorph in der Stadt anrichten mochte.
Gelegentlich begegneten sie anderen Personen, viele von ihnen schöne Frauen, mit denen sich Stokkart gern umgab, aber auch finster wirkenden Gestalten, die man nicht an diesem Ort erwartet hätte, eher in bestimmten Vierteln der Stadt. Angeblich waren es Sekretäre und Assistenten, aber Emmerson wusste es besser.
»Bitte warten Sie hier«, sagte einer der beiden Wächter, als sie eine breite Doppeltür erreichten, gesäumt von purpurnen, mit Goldfäden durchwirkten Vorhängen, die offenbar eine majestätische Atmosphäre schaffen sollten. Auf Emmerson wirkten sie nur kitschig, ebenso wie die dionysischen Schnitzereien im massiven Edelholz. Er nahm auf einem der an den Wänden stehenden Stühle Platz, die wie Antiquitäten aussahen, aber aus Synthomasse bestanden. Einer der beiden Wächter trat durch die Tür und schloss sie hinter sich. Der andere bezog daneben Aufstellung, erstarrte zu völliger Reglosigkeit.
Nach einer knappen Minute kehrte der erste Wächter zurück. »Es tut mir Leid, aber Seine Durchlaucht kann Sie derzeit nicht empfangen«, sagte er.
»Ich habe einen Termin mit ihm vereinbart. Es geht um eine wichtige Angelegenheit.«
»Zweifellos. Doch Seine Durchlaucht befindet sich gerade in einer sehr kreativen Phase und möchte sein künstlerisches Potenzial ohne irgendwelche Einschränkungen entfalten können.«
»Ich verstehe«, sagte Emmerson ruhig, und er verstand tatsächlich. Mit dieser Verzögerungstaktik, die Statusunterschiede verdeutlichen sollte, war er ebenso vertraut wie mit all dem Kitsch außerhalb und innerhalb des Schlosses. »Nun gut. Ich warte.«
Der Wächter neigte den Kopf, winkte seinem Kollegen zu und ging mit ihm fort. Emmerson lehnte sich zurück, richtete den Blick auf eine bestimmte Stelle der gegenüberliegenden Wand, schenkte allen anderen Dingen keine Beachtung und ließ seine Gedanken treiben. Stille senkte sich auf ihn herab, eine Lautlosigkeit, die vielleicht bedrückend und verunsichernd wirken sollte. Selbst die leise Hintergrundmusik erklang nicht mehr. Zwar befand sich niemand in der Nähe, aber Emmerson war sich sicher, dass man ihn trotzdem sehr aufmerksam beobachtete, vermutlich mithilfe mikroskopisch kleiner visueller Sensoren in Decke und Wänden. Vielleicht hielt sogar der Autokrat selbst Ausschau, nach irgendwelchen Anzeichen von Nervosität und wachsender Ungeduld. Emmerson verlor Zeit, die er gern für andere Dinge genutzt hätte, aber äußerlich ließ er sich nichts anmerken, und innerlich beschäftigte er sich mit Dingen, die gedanklich erledigt werden konnten: der
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