Kantaki 02 - Der Metamorph
Besessenheit eines Mannes, der sich tatsächlich für einen Künstler hielt und nicht begriff, dass er sich mit Absurdem umgab, mit Dingen ohne Inhalt und ohne Bedeutung. Stokkarts blaue Augen hingegen zeigten etwas anderes, die wache Intelligenz eines Mannes, der nicht von ungefähr zum nominellen Oberhaupt eines Planeten geworden war und wusste, wie man gute Geschäfte machte, legale ebenso wie illegale. Zwei Seelen in einem Körper, dachte Emmerson, während er Stokkart musterte. Vielleicht ein echter Fall von multipler Persönlichkeit? Das hätte einiges erklärt.
Der Autokrat deutete auf einen Tisch vor den Zinnen, direkt neben einer der Kanonen, die zum Riffmeer zeigten und Angreifer zu erwarten schienen. »Lassen Sie uns Platz nehmen.«
Er hielt die Arme unter ein marmornes Drachenmaul, das daraufhin gehorsam Wasser spuckte, und wusch sich, bevor er ebenfalls zum Tisch trat und sich setzte. Eine Karaffe enthielt eisgekühlten Fruchtsaft, und damit füllte er zwei Gläser.
Der Tisch stand im Windschatten, und Emmerson empfand die Hitze des Sonnenscheins schon nach wenigen Sekunden als unangenehm. Das Glas rührte er nicht an, aus Sicherheitsgründen; immerhin wusste er nicht, ob die Flüssigkeit außer Fruchtsaft auch noch etwas anderes enthielt.
»Immer vorsichtig, mein lieber Emmerson?« Der Autokrat trank einen Schluck und lehnte sich mit dem Glas in der Hand zurück. »Nun?«
»In der vergangenen Nacht kam es in einem unserer Laboratorien zu einem Zwischenfall. Ein Feuer brach aus, und dadurch konnte eine Zellmasse nach draußen gelangen.«
»Eine Zellmasse?« Stokkart trank erneut.
»Ein Prototyp«, sagte Emmerson, ohne Einzelheiten zu nennen. »Der planetare Direktor hat mich gebeten, Sie auf eine biologische Kontamination hinzuweisen. Er zweifelt nicht daran, dass Sie alle notwendigen Maßnahmen ergreifen werden.«
»Und woraus bestehen seiner Meinung nach diese ›notwendigen Maßnahmen‹?«
Emmerson holte ein passives Datenmodul hervor und legte es auf den Tisch. »Seine… Vorschläge sind darin gespeichert. Erhöhte Alarmbereitschaft für die Ordnungskräfte in der Stadt. Der Einsatz von biologischen Sondierern.« Die in diesem besonderen Fall allerdings kaum etwas nützen, dachte er. »Ereignisüberwachung und Situationsanalyse. Achten Sie auf ungewöhnliche Vorkommnisse.«
Die beiden Männer blickten auf das Datenmodul und wussten, dass es keine Vorschläge enthielt, sondern Anweisungen. Doch die Balance der Macht auf Kerberos erforderte eine gewisse Diplomatie.
»Der Krieg ist so gut wie zu Ende, habe ich gehört«, sagte der Autokrat nachdenklich und sah dabei ins halb geleerte Glas. »Die Allianz hat sich fast überall durchgesetzt. Globaldirektor Turannen arbeitet mit Enbert Dokkar und Valdorians Sohn zusammen.«
»Das ist richtig.«
»Ich nehme an, es kommt bald zu Veränderungen«, sagte Stokkart vorsichtig.
»Sie betreffen das politische Gerüst des Konsortiums und auch der Allianz, nicht aber Kerberos. Hier ändert sich nichts, Euer Durchlaucht.« Emmerson gab den beiden letzten Worten eine besondere Betonung, ohne sie zu ironisch klingen zu lassen.
»Für gewisse Produkte von Kerberos gibt es in der Außenwelt gute Absatzmärkte«, sagte der Autokrat. »Jetzt auch auf den Planeten der Allianz. Durch eine Steigerung des Exports würden mehr Mittel für die Entwicklung von Kerberos frei.«
Emmerson ließ sich auch diesmal nichts anmerken. »Ich trage Ihr Anliegen Lorgard vor, und dann steht es in seinem Ermessen, mit dem Globaldirektor darüber zu reden. Nun, er wäre Ihnen zweifellos dankbar, wenn Sie auf seine Bitten eingingen.« Er deutete aufs Datenmodul.
»Selbstverständlich.« Von einem Augenblick zum anderen lächelte der Autokrat strahlend. »Ich bin immer gern bereit, ihm einen Gefallen zu erweisen. Und ich danke für den Hinweis auf die biologische Kontamination. Ich weiß es sehr zu schätzen, über solche Dinge informiert zu werden.« Er stand ruckartig auf und rieb sich die Hände. »Und jetzt… Ich fühle, dass mein Kunstwerk noch nicht ganz vollständig ist. Vielleicht sollte ich ihm einige Schwarze Löcher und Quasare hinzufügen? Oder wie wär’s mit Dunkler Materie?«
Er lief zur Levitatorscheibe und aktivierte sie. »Sie können mir zusehen, wenn Sie wollen.«
Emmerson stand auf und ging zur Tür. »Andere Dinge erfordern meine Aufmerksamkeit, Durchlaucht. Auf Wiedersehen.«
Auf dem Rückweg durchs Schloss dachte er über die Begegnung nach. Zwei
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