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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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glühten an den glatten Steinwänden eines Schachtes und schufen matte Reflexe auf den Stufen der metallenen Treppe, die hinabführte, bis ins »Verlies« des Schlosses, das sich im unteren Bereich der künstlichen Insel erstreckte. Stokkart erreichte es nach wenigen Minuten: sorgfältig gestylte Räume, die nach einem uralten Kellergewölbe aussahen, ausgestattet mit historischen Folterinstrumenten. Manchmal veranstaltete er Partys in diesem Trakt des Schlosses, um die Größen von Kerberos und insbesondere von Chiron zu beeindrucken und seinen Ruf als halb irrer Exzentriker zu festigen. Auch Lorgard war einmal hier gewesen, ein einziges Mal; alle anderen Einladungen hatte er höflich und mit dem Hinweis auf andere Verpflichtungen abgelehnt.
    Er passierte eine zweite verborgene Tür, von der nur Raphael und einige andere Vertraute wussten, und die Umgebung veränderte sich abrupt. Das mittelalterliche, düstere Ambiente wich hellen, von Technik dominierten Zimmern. Datenservi summten leise und empfingen Informationen von Sensoren, die sich über und unter dem Wasser des Riffmeers befanden. Bildschirme und dreidimensionale Darstellungen zeigten verschiedene Szenen: die Stadt Chiron, Industrieanlagen, den Kontinentalwald, verschiedene Niederlassungen von New Human Design, das Dachgeschoss-Apartment von Rubens Lorgard, andere Orte auf Kerberos und, am wichtigsten, den Meeresboden. Lichter glühten dreitausend Meter tief in der Dunkelheit, wie die Augen maritimer Ungeheuer.
    Ein Techniker kam dem Autokraten entgegen, ein Mann, der uneingeschränktes Vertrauen verdiente, so wie Raphael und einige andere. »Die Kapsel ist startklar«, sagte er. »Ich habe alle Systeme überprüft.«
    Stokkart nickte ihm kurz zu, trat durch eine kleine Luftschleuse und erreichte einen Raum mit einer etwa vier Meter durchmessenden Öffnung im Boden. Meerwasser klatschte an die Ränder. Darüber hing an einem dicken Verankerungskabel eine speziell gepanzerte, fensterlose Taucherglocke. Eine mobile Treppe führte zu ihr empor, und die Luke stand offen.
    Der Autokrat ging zu einem nahen Alkoven, entledigte sich dort seiner leichten Kleidung, streifte einen schwarzen Thermoanzug über und legte einen Instrumentengürtel an – man konnte nie wissen.
    Dann stieg er die Treppe hoch, kletterte in die Tauchkapsel und nahm auf dem einzigen Sitz Platz. Er betätigte die Kontrollen, woraufhin sich ein automatischer Sicherheitsharnisch um ihn schloss und die Luke zuklappte. Indikatoren leuchteten auf der Konsole vor ihm, und mehrere Displays gaben Auskunft über den Status der Bordsysteme. Trotz der Versicherung des Technikers startete Stokkart ein Diagnoseprogramm und vergewisserte sich, dass ihm volles Funktionspotenzial zur Verfügung stand – er wollte kein Risiko eingehen. Er aktivierte das Hauptdisplay, und daraufhin schien sich die Wand vor der Konsole in ein mehrere Quadratmeter großes Fenster zu verwandeln. Der Datenservo verarbeitete die Sensordaten zu einer dreidimensionalen Darstellung, die sehr echt wirkte und auf Wunsch mehr Informationen über die Umgebung lieferte als ein gewöhnliches Fenster. Motoren surrten, und das Kabel geriet in Bewegung, ließ die Kapsel langsam ins Wasser sinken. Als sie ganz getaucht war, klinkte Stokkart das Kabel aus, schloss die Hände um das hufeisenförmige Steuer und ließ die Kapsel noch tiefer sinken, bis sie den Zugangsschacht der künstlichen Insel verlassen hatte. Dann drehte er das Steuer und beschleunigte. Mit einer Geschwindigkeit von etwa zwanzig Knoten glitt die Tauchkapsel durch das in dieser geringen Tiefe noch sehr helle Meer, begleitet von einigen neugierigen Kerberos-Fischen, die aus dem nahen Riff kamen, um sich den Besucher anzusehen.
    Nach etwa zehn Minuten erreichte Stokkart das Ende des zentralen Riffbereichs. Dahinter fiel der Festlandsockel steil ab, bis in eine Tiefe von etwa drei Kilometern. Pechschwarze Finsternis verwehrte den Blick auf den fernen Meeresgrund, aber der Autokrat wusste, was ihn unten erwartete, etwas, das mehr wert war als alle Drogen und Opale des Planeten.
    Er steuerte die Tauchkapsel in die Tiefe.
     
     

Im Null
     
    »Er ist tot«, sagte Pergamon. »Wir haben alles versucht, aber wir konnten ihm nicht helfen.«
    Dies war der heiligste Ort in der Wabenstadt Äon, wusste Agorax, das Zentrum aller Konzepte der Eternen, wie sich die Temporalen selbst nannten. Dies war der Ort des Sinns. Ein runder Raum mit Wänden so grau wie das Nichts am Rande des Nulls. Und

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