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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Es zeigte einigen Eremiten das Portal zum Elysium und die Kraft, mit der man heilen kann. Man braucht eine besondere Begabung, um sie aufzunehmen und mit ihr zu arbeiten.
    Denk nur an die Kantaki-Piloten, die Raumschiffe mit dem Vielfachen der Lichtgeschwindigkeit durch den Transraum steuern. Auch sie brauchen eine besondere Gabe, um die Fäden zu finden, die alle Himmelskörper miteinander verbinden, um in den Kosmen außerhalb des Zeitstroms zu navigieren. Uns ergeht es ähnlich. Die Aufgeklärte Gemeinschaft, zu der ich gehöre, besteht aus Personen, die ein spezielles Talent haben. Ich sehe darin einen Segen, den mir die Weltseele schenkte. Andere halten die Gabe für Zufall, für eine Laune der Gene. Nicht alle von uns glauben an die gleichen Dinge.« Eklund lachte leise. »Nein, das ist falsch ausgedrückt, Raimon. Eigentlich glaubt jeder von uns an etwas anderes.« Und der Hirte glaubt an alles und nichts. »Aber wir alle sind Heiler, und das verbindet uns.«
    Der Junge schwieg auch dieses Mal, und Eklund fragte sich, ob er die Worte überhaupt verstand.
    Vor der braungrauen Felswand gab es einen freien Bereich, in dem keine Büsche wuchsen und nur kurzes, moosartiges Gras den Boden bedeckte. Treppen aus Holz und Stein führten in einem endlosen Zickzack nach oben, und Angehörige der Aufgeklärten Gemeinschaft waren auf ihnen unterwegs. Hier und dort baumelten Seile und Strickleitern. Windspiele klirrten und läuteten.
    »Die jungen Leute benutzen die Treppen und Leitern«, erklärte Eklund. »Nun, das Alter hat seine Privilegien, Raimon.« Er trat an zwei Levitatorscheiben heran. Sie waren ebenso zerkratzt wie Sebastians Wagen und schienen kaum jünger zu sein. »Ich weiß, sie sehen nicht besonders vertrauenerweckend aus, aber sie funktionieren einwandfrei, das versichere ich.« Lächelnd fügte Eklund hinzu: »Außerdem bin ich sicher, dass mich die Weltseele nicht ausgerechnet jetzt abstürzen lassen würde. Immerhin habe ich einen Novizen.«
    Er trat auf die erste Scheibe, und Raimon folgte ihm ohne zu zögern. »Ich hoffe, du bist schwindelfrei«, sagte Eklund und betätigte die Kontrollen. Mit einem leisen Summen stieg die Scheibe auf und schwankte dabei ein wenig. Der Alte und sein junger Begleiter hielten sich an ihrer Brüstung fest. »Ein besseres Panorama gibt es nicht.«
    Eklund genoss den Ausblick immer wieder. Als die Levitatorscheibe am Pelion-Massiv emporglitt, breitete sich die Millionenstadt Chiron vor ihnen aus. Sie wuchs an den beiden Ufern des braunen Acheron, heraus aus dem Grün des Kontinentalwaldes und über das Delta hinweg. Hunderte von Brücken und Stegen verbanden die zahllosen großen und kleinen Inseln, wo die Gebäude in den meisten Fällen auf Pfählen ruhten, wie das Hospital, in dem Elisabeth arbeitete; wenn die zyklische, von den beiden Kerberos-Monden verursachte Flutwelle kam, standen viele der Inseln unter Wasser. Die Schiffe im Hafen waren bunte Tupfer auf dem Blau des Riffmeers, das sich von dort aus bis zum Horizont erstreckte.
    Wind zupfte an Eklunds weiter Kleidung und spielte mit dem Haar des Jungen. »Na, gefällt es dir?« Er glaubte, den Hauch eines Lächelns auf Raimons Lippen zu erkennen, und das gab ihm Hoffnung.
    Sie kamen an den ersten Höhlenöffnungen vorbei. Männer und Frauen winkten Eklund zu, und er erwiderte ihren Gruß.
    »Wir müssen noch ein ganzes Stück weiter nach oben«, sagte er und zeigte mit dem Gehstock gen Himmel. »Als die ersten Eremiten hierher kamen, gab es nur natürliche Höhlen. Später, nach der Entdeckung des Mandalas, begann die Aufgeklärte Gemeinschaft, Tunnel durchs Felsgestein zu graben, und dabei entstanden nach und nach viele neue Höhlen. Inzwischen ist das ganze Pelion-Massiv durchlöchert. Ich glaube, niemand kennt die genaue Anzahl aller Höhlen und Tunnel. Manchmal frage ich mich, ob wir überhaupt wissen, wie groß unsere Gemeinschaft ist, wie viele Personen ihr angehören. Aber um diese Dinge kümmern sich andere Leute, zum Beispiel der Hirte.« Eklund seufzte. »Ach, seit vielen, vielen Jahren bin ich Mitglied dieser Gemeinschaft, aber die Dinge ändern sich. Sie haben sich für Kerberos geändert, für Chiron und die vielen Siedler, die voller Hoffnung hierher kamen. Und jetzt ändern sie sich auch für uns. Vielleicht ist es unvermeidlich, aber das bedeutet nicht, dass es mir gefallen muss.«
    In einer Höhe von etwa fünfhundert Metern verharrte die Levitatorscheibe an einer besonders großen Höhlenöffnung,

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