Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
Erscheinungsbild der Stadt. Rechts ragten Türme mit Büros und Luxusapartments vierzig und mehr Stockwerke weit auf. Ihre Außenflächen bestanden zum größten Teil aus halbtransparenter, reflektierender Synthomasse – die Gebäude funkelten wie gewaltige Kristalle im Sonnenschein. Links, zum Riffmeer hin, erstreckten sich speziell geschützte Bereiche mit Villen aller Art. Die Angehörigen privater Sicherheitsdienste patrouillierten dort, unterstützt von den Sekuritos. Dazwischen, bis hin zum sumpfigen Teil des weiten Acheron-Deltas, erstreckte sich das »Traumzentrum«, eine Stadt innerhalb der Stadt, bestehend aus teilweise bizarr anmutenden Gebäuden: Spielkasinos; Bordelle, in denen nicht nur menschliche Frauen und Männer teilweise recht exotische Dienste anboten; die Datenservi-Zentren zahlreicher Anderswelten; und natürlich die eigentlichen Traumpaläste, hunderte, jeder von ihnen ein Treffpunkt für jene Leute, die sich von Kerberos’ zahlreichen Drogen Glück erhofften. Selbst jetzt, am Morgen, herrschte dort reger Betrieb. Ein süßlicher Geruch hing in der Luft, wie eine Erinnerung an die Blumen im Kontinentalwald, aus denen viele Rauschgifte gewonnen wurden.
    An einer schattigen Stelle blieb Eklund stehen, hob seinen Gehstock und deutete damit auf die Umgebung. »Ich habe von einer Abkürzung auf dem Weg zum Glück gesprochen, erinnerst du dich?« Erneut richtete er die Worte an Raimon, doch diesmal führte er eher ein Selbstgespräch. »Hier siehst du sie. Aber es ist nur scheinbar eine Abkürzung und in Wirklichkeit eine Sackgasse. O ja, die Menschen, die hier Glück suchen – und es kommen nicht nur Menschen hierher – finden es tatsächlich, in Form von süßen Träumen. Aber sie müssen dafür bezahlen, nicht nur mit Transtel, sondern auch mit körperlichem und geistigem Verfall. Je mehr sie träumen, desto grässlicher erscheint ihnen die Realität und desto öfter wollen sie ihr entfliehen. Eigentlich steckt das wahre Gift bereits in ihnen, noch bevor sie hierher kommen. Es heißt falsche Hoffnung und Verzweiflung.«
    Er legte dem Jungen den Arm um die Schultern. Raimon hatte ruhig zugehört und sah erneut zu ihm auf, die braunen Augen unergründlich tief. »Aber wer weiß? Vielleicht ist auch dies hier alles nur ein Traum.« Wieder hob er den Gehstock und vollführte damit eine Geste, die der ganzen Stadt galt. »Ob ein guter oder schlechter – das hängt von der jeweiligen Perspektive ab. Ja, vielleicht ist alles nur ein Traum, im Innern eines anderen Traums. Und wenn wir eines Tages erwachen…« Er zuckte mit den Schultern und brachte den Satz nicht zu Ende.
    Sie gingen weiter, immer darauf bedacht, im Schatten der Farnpalmen zu bleiben. Das Chaos um sie herum schien zu pulsieren, mal größer und lauter, dann wieder kleiner und leiser zu werden, der Pulsschlag der Stadt. Als sie sich anschickten, einen offenen Bereich zu überqueren, der kaum Schatten bot, sah Eklund einen jungen Fischer namens Sebastian, der nach einer langen Nacht auf dem Riffmeer und anstrengenden Stunden auf dem Markt nach Hause zurückkehrte. Vor zwei Jahren hatte er ihn von einem sehr hässlichen Hautausschlag geheilt, und dafür war ihm Sebastian noch immer dankbar. Er bot Eklund und seinem stummen Begleiter an, sie zum Stadtrand zu fahren und in der Nähe der Zitadelle abzusetzen.
    Der Wagen des jungen Fischers war uralt, vielleicht noch älter als Eklund. Angetrieben wurde er von einem Verbrennungsmotor, dessen Filter defekt zu sein schienen, denn immer wieder kam dichter Qualm aus dem Auspuff. Überall quietschte, rasselte und knackte es, so als könnte das Fahrzeug jederzeit auseinander brechen. Einen Klimaservo gab es nicht. Durch mehrere offene Fenster hereinströmende Luft brachte Abkühlung, solange der Wagen in Bewegung war; wenn er anhielt, wurde es innerhalb weniger Sekunden fast unerträglich heiß. Hinzu kam der Geruch von nicht mehr ganz frischem Fisch. Doch auf diese Dinge achtete Eklund gar nicht. Er war froh, den ganzen Weg bis zu den Felswänden des Pelion-Massivs nicht zu Fuß zurücklegen zu müssen. Während er mit Sebastian sprach und sich nach dem Befinden seiner Eltern erkundigte, erfuhr er, dass Jisbo, Sebastians Vater, am Riff noch immer nach Opalen tauchte, trotz des Problems mit seiner Lunge. »Allerdings nicht mehr an der alten Stelle«, sagte Sebastian, beide Hände um das große Steuer des schaukelnden Bodenwagens geschlossen. »Das hat der Autokrat verboten.«
    »Warum?«,

Weitere Kostenlose Bücher