Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
objektive Zeit zu erreichen und weitere Manipulationen der Temporalen zu verhindern.«
Valdorian erkannte etwas in Diamants Gesicht. »Aber davon halten Sie nichts, oder?«
Sie blickte wieder aus dem fünfeckigen Fenster und schwieg.
Valdorian glaubte zu verstehen. »Fürchten Sie, dass die Kantaki erfolgreich sein könnten? Fürchten Sie … negative Konsequenzen für Ihre Welt, für dieses Universum?«
»Zeitmanipulationen müssen verhindert werden, das ist Teil der Kantaki-Philosophie und ihres Sakralen Kodex.«
Valdorian verstand plötzlich. »Es geht um mich, nicht wahr? Sie halten es für falsch, dass sich die Kantaki von mir helfen lassen wollen.« Tief in seinem Inneren schwankte der andere Valdorian auf dem neuen Weg, den er eingeschlagen hatte. »Sie trauen mir nicht.«
»Sie sind ein Mörder«, sagte Diamant. »Von den Dingen, die Sie als Primus inter Pares des Konsortiums angestellt haben, ganz zu schweigen.«
»Dafür bin nicht ich verantwortlich, sondern der andere Valdorian.«
»Und in Ihrem Universum? Haben Sie sich dort anders verhalten als der Valdorian hier?«
Valdorian dachte an den Aufstieg im Schatten seines Vaters, an die eigenen Strategien, die er nach Hovan Aldritt Valdorians Unfalltod entwickelt hatte, an seine ökonomische und auch militärische Politik, erst als Oberhaupt der Valdorian-Unternehmensgruppe und dann als Primus inter Pares. Einmal mehr fiel ihm die Metapher mit dem Schachbrett ein: Er hatte die Figuren darauf ganz nach Belieben bewegt und geopfert, manchmal sogar die Regeln des Spiels so verändert, wie es ihm gefiel. Die Kosten – Material und Personen – hatten dabei immer weniger eine Rolle gespielt als die Ziele, die es zu erreichen galt. Skrupellosigkeit war weniger eine moralische Erwägung gewesen als eine machtpolitische, ein Mittel zum Zweck. Mit ethischen Problemen hatte er sich nie konfrontiert gesehen, denn die Ethik bestimmt der Sieger. Er erinnerte sich deutlich daran, mit welcher Kühle er manchmal Entscheidungen getroffen hatte, durch die tausende direkt oder indirekt ums Leben gekommen waren, bei Konflikten, die sich auf ein Sonnensystem beschränkten, bei Sabotageakten gegen die Einrichtungen von Rivalen, oder auch bei wirtschaftlichen Entscheidungen, die Konkurrenten gnadenlos in die ökonomische Enge und schließlich in den Ruin trieben. Nie, nie hatte dabei die Stimme des Gewissens in ihm geflüstert, denn er war davon überzeugt gewesen, über solchen Dingen zu stehen, von ihnen nicht betroffen zu sein. Er hatte damals, in dem anderen Leben, als der Mann, der er gewesen war, die richtigen Entscheidungen getroffen.
Aber das alles konnte er Diamant natürlich nicht sagen, und deshalb antwortete er: »Jetzt bin ich hier und bereit, Ihnen zu helfen. Das habe ich bereits bewiesen.« Er zögerte kurz. »Und ich habe Ihnen das Leben gerettet.«
»Ja, stimmt, das haben Sie. Und dafür gebührt Ihnen Dank.« Diamant drehte sich um und ging zur Tür, drehte sich dort noch einmal um. »Ich muss mich um das Schiff kümmern.«
Valdorian wollte über hundert Dinge sprechen, aber er brachte nur hervor: »Wann erreichen wir Munghar?«
»Morgen.« Für einen Moment erweckte Diamant den Eindruck, als wolle sie noch etwas hinzufügen, und Valdorian glaubte zu beobachten, wie in ihren Augen Hoffnung und Skepsis miteinander rangen. Doch dann ging sie ohne ein weiteres Wort.
Valdorians Geist weilte irgendwo im Niemandsland zwischen Schlafen und Wachen, gequält von Erinnerungen und gelockt von Bildern, die ihm eine mögliche Zukunft zeigten. Ein seltsamer Dualismus entfaltete sich in seinem Inneren, denn der andere Valdorian, der er bis vor kurzem gewesen war, gab sich nicht so ohne weiteres geschlagen, verspottete den neuen und versuchte, seine Kraft für sich zu beanspruchen. In jenem anderen Valdorian brannte noch immer das Feuer des Hasses, nicht mehr so heiß wie zuvor, aber weit davon entfernt zu erlöschen. Dieser Konflikt spiegelte sich auch in zahlreichen imaginären Gesprächen wider, die er in seinen Wachträumen mit Lidia führte.
»Glauben Sie an die Fähigkeit des Individuums, sich zu ändern, über sich selbst hinauszuwachsen?«, fragte er einmal, ohne zu wissen, wo das Gespräch stattfand. Sie standen in einem Raum ohne perspektivische Verzerrungen, befanden sich also vermutlich nicht an Bord eines Kantaki-Schiffes. Aber die Umgebung blieb vage, ohne klare Konturen.
»Ich glaube daran, dass sich mit gutem Willen viel erreichen lässt«,
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