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Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Titel: Kantaki 03 - Der Zeitkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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die Hand aus, um eines von ihnen zu berühren, und seine Finger drangen ein oder zwei Meter tief in das Trümmerstück ein, bevor sie auf Widerstand stießen. Der Kontakt bewirkte eine Veränderung: Das hausgroße, wie eine bizarre Glasscherbe aussehende Fragment leuchtete flackernd auf, und gleichzeitig erklang ein scharfer, schriller Ton, der zu den anderen Fragmenten sprang, sie ebenfalls gleißen ließ.
    Eklund zog die Hand rasch zurück, schloss geblendet die Augen und hielt sich die Ohren zu.
    Nach einigen Sekunden berührte ihn Raimon am Arm, und daraufhin hob er die Lider wieder und ließ die Hände vorsichtig sinken. Das Heulen hatte aufgehört, und die Fragmente zeigten wieder ihr ursprüngliches stumpfes Grau, das gleiche Grau wie der Hochnebel, der noch immer das Licht der Sonne schluckte.
    »Komm«, sagte der Metamorph und deutete kurz in die Richtung, aus der sie kamen.
    Das schwarze Meer war heran, schwappte dem ersten großen Fragment entgegen – und glitt dicht davor nach oben, als wäre es gegen ein unsichtbares Hindernis gestoßen. Auf der anderen Seite des Grates wiederholte sich dieser Vorgang. Der finstere Ozean hatte die »Stadt« erreicht, strömte aber nicht in sie hinein, sondern an etwas empor, das sie vom Rest der Welt trennte.
    »Was geschieht hier?«, fragte Eklund leise. »Ich habe überhaupt nichts gespürt, keine Barriere oder dergleichen.«
    Raimon war bereits weitergegangen, und er folgte ihm rasch, vorbei an hoch aufragenden, wie gläsernen Gebilden. Voller Verwunderung beobachtete er, wie die schwarzen Massen an dem unsichtbaren Schild emporkrochen, der das Draußen vom Drinnen trennte, immer weiter. In einer Höhe von einigen Dutzend Metern bildete sich ein dunkles Dach, mit einer Öffnung genau im Zenit, die allerdings immer kleiner wurde, immer mehr schrumpfte und sich schloss.
    Völlige Finsternis herrschte. Eklund sah überhaupt nichts mehr. Ein Blinzeln brachte seine Lider nach unten, und als er sie wieder hob …
     … stand er in der Galerie des alten Saals, vor einer der Türen. Ruhig und ewig brannten die Fackeln, ließen Schatten in den Ecken des Saals hin und her huschen. Er erinnerte sich nicht daran, das Elysium dieser Welt berührt zu haben, und doch befand er sich hier, in der Welt über der Welt von Namenlos, an jenem Ort, der die von Raimon erwähnte Residualenergie enthielt.
    Er wandte sich der Tür zu, und sie öffnete sich, ohne dass er die Hand nach dem Knauf ausstreckte. Dahinter …
    Er sah eine Wohnhöhle mit vertrauten Gegenständen: zwei einfache Stühle, zwei Liegen – auf einer hatte Raimon geschlafen, der zwölfjährige Raimon –, einige wenige Habseligkeiten, bunte Steine und kleine Muscheln, die er gern bei sich getragen und Kindern in Chiron geschenkt hatte …
    Eklund trat vor und stand in dem Quartier der Zitadelle, in dem er viele Jahrzehnte seines Lebens gewohnt hatte. Eine Chemolampe brannte an der Wand, und auch ihr matter Schein war vertraut. Nostalgie erfasste ihn, aber etwas anderes drängte sie beiseite, eine Erinnerung.
    Mit raschen Schritten ging er zu einer kleinen Kommode aus Synthomasse, öffnete und fand darin eine Flasche Wasser. Er griff danach, öffnete sie, setzte sie an die Lippen, trank gierig und genoss die Flüssigkeit, die ihm durch die Kehle rang.
    Dies ist nicht Kerberos, dachte er gleichzeitig. Ich bin noch immer auf Namenlos. Was trank er? Und … Er setzte die Flasche ab, nahm einen Nahrungsriegel, biss ein Stück ab, kaute, schluckte und trank erneut. Und was esse ich?
    Eklund wusste, dass er Metaphern erlebte, aber sein Durst war gelöscht, und er hatte weniger Hunger – nährte ihn die Energie des Elysiums? Gelang es ihm irgendwie, die Kraft dieser Welt über der Welt aufzunehmen?
    Metaphern …
    Mit der Flasche in der einen Hand und dem dicken Nahrungsriegel in der anderen verließ er das Höhlenquartier und kehrte in den Tunnel zurück, der durch die Zitadelle führte, das weit verzweigte, von der Aufgeklärten Gemeinschaft bewohnte Höhlensystem im Pelion-Massiv. Nirgends regte sich etwas, und es herrschte eine Stille, die auch die von Eklund verursachten Geräusche zu dämpfen schien. Er blickte in andere Höhlen, kleinere und größere, sah Dinge und Objekte, aber nirgends einen Menschen. Offenbar hielten sich außer ihm keine anderen Personen in dieser Zitadelle auf.
    Und dann stand er im Zugang einer Grotte, die er gut kannte – seine Füße hatten von ganz allein den Weg hierher gefunden. Tausend und

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