Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
alt, etwa neunzig, aber nicht greisenhaft. Er hatte ein volles Gesicht und dichtes Haar, trug einen Overall, der aus vielen verschiedenen, teilweise unterschiedlich gefärbten Funktionssegmenten bestand, mit zahlreichen Servikomponenten und Datenbankmodulen. Der Blick seiner blauen Augen – blau, nicht braun – war eiskalt, als er Valdorian musterte, in der einen Hand den Hefok, der jedoch nicht mehr auf den Mann am Tisch gerichtet war.
Zwei weitere Personen befanden sich im Zimmer, ebenfalls alte Bekannte: Dr. Reginald Connor, der kleine, dicke Arzt, der beim hundertsiebenundvierzig Jahre alten Valdorian des anderen Universums eine zunehmende genetische Destabilisierung und damit den nahen Tod diagnostiziert hatte; und der Sekretär Jonathan, der auch in dieser Welt die personifizierte Unauffälligkeit zu sein schien.
»Wer sind Sie?«, wiederholte Cordoban.
»Dr. Connor hat mich untersucht«, sagte Valdorian. »Nun, Reginald?«
Der kleine, korpulente Mann wirkte sehr nervös. »Die DNS-Struktur lässt keinen Zweifel«, sagte Connor und sah dabei Cordoban an. »Er ist Rungard Avar Valdorian.«
»Vielleicht ein Klon?«
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Das halte ich für ausgeschlossen.«
»Ein NHD-Simulacrum?«
»Die stabilisierte Basismasse von Kerberos lässt sich identifizieren. Der Körper dieses Mannes enthält nicht ein Mikrogramm davon.«
Kerberos … Valdorian dachte an die Flotte vom Arsenalplanetoiden, an den Temporalen Agoron, der ihn von Anfang an manipuliert hatte, an den erwachenden Omnivorkeim, an Olkin und das grässliche Spiel, das kein Spiel war, sondern eine Vergewaltigung seines Bewusstseins. Er schauderte innerlich.
»Wenn Sie wirklich Rungard Avar Valdorian sind, haben Sie auf eine völlig neue Weise Selbstmord begangen«, sagte Cordoban kühl.
»Versuchen Sie, humorvoll zu sein?«, erwiderte Valdorian.
»Ich versuche, die Wahrheit herauszufinden.«
Die Wahrheit. Valdorian dachte über ein ihm fremdes Konzept nach. Für ihn war die Wahrheit immer nur eine von vielen Möglichkeiten gewesen, seine Ziele zu erreichen. Lügen boten weitaus mehr Spielraum für interpretative Kreativität und führten oft und schneller und direkter zum Erfolg. Doch diesmal sah er sich einer Situation gegenüber, die zu viele unbekannte Faktoren aufwies. Er wusste, dass es in diesem Universum eine andere historische Struktur gab – die Zeitrechnung bot einen deutlichen Hinweis –, aber er wusste nicht, wo die Unterschiede lagen. Auf dem vor ihm liegenden Weg, der vielleicht zu Freiheit und Macht zurückführte, gab es zu viele verborgene Stolpersteine für ihn. Er brauchte Hilfe. Cordoban war nie ein Freund gewesen, wohl aber ein genialer Planer, auf den er sich immer hatte verlassen können.
»Ich möchte mit Ihnen allein sprechen, Cordoban.«
Connor wirkte erleichtert angesichts der Aussicht, den Raum mit dem zweiten, jüngeren Valdorian verlassen zu können. Jonathans Gesicht hingegen zeigte kurz eine Mischung aus Verwunderung und Schmerz. Bedauerte er, nicht ebenfalls ins Vertrauen gezogen zu werden?
Cordoban sah auf seinen Hefok hinab, berührte mit der freien Hand eine Servokomponente und hob dann den Blick.
»Kommen Sie«, sagte Reginald Connor zur Jonathan und floh regelrecht aus dem Zimmer, gefolgt vom Sekretär. Hinter ihnen schloss sich die Tür mit einem leisen hermetischen Seufzen.
Cordoban blieb auf der anderen Seite des Tisches stehen und wartete.
»Ich könnte die hiesigen Sicherheitssysteme mit einer verbalen Anweisung aktivieren und gegen Sie einsetzen«, sagte Valdorian. »Die Kodes sind mir bekannt«, fügte er hinzu, obwohl er da nicht ganz sicher war.
»Wenn Sie wirklich dazu in der Lage wären … Warum verzichten Sie darauf?«
»Weil ich einen Verbündeten brauche«, sagte Valdorian und begann damit seinen Ausflug ins weitgehend unbekannte Reich der Wahrheit.
»Wer sind Sie?«, fragte Cordoban noch einmal.
»Ich bin Rungard Avar Valdorian. Ich bin es wirklich. Aber … ich stamme nicht aus diesem Universum.«
Und er begann, die ganze Geschichte zu erzählen, von Connors Diagnose in jener anderen Welt und der Suche nach Lidia, bis hin zu seinem Fast-Tod auf Mirror und der Verjüngung durch den Temporalen Agorax, der später zu Agoron wurde.
»Die Temporalen haben mich als Werkzeug benutzt«, schloss Valdorian seinen langen Bericht, in dem ziemlich viel Bitterkeit und Zorn steckten. »Meine Aufgabe bestand darin, den auf Kerberos schlafenden Omnivorkeim zum Null zu
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