Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
bitten.«
»Warum ist der Temporale plötzlich verschwunden?«, fragte Valdorian.
Es war eine sonderbare Situation, fand er. Diamant lag in dem breiten Bett, das die eine Hälfte des großen Raums dominierte, während er sich in der anderen auf einer nicht besonders bequemen Couch ausgestreckt hatte. Im gleichen Zimmer mit Lidia DiKastro beziehungsweise der Kantaki-Pilotin Diamant zu schlafen … Es fühlte sich seltsam an. Nicht wie die Erfüllung eines alten Traums, eher wie ein neues, vages Versprechen, das sich nicht unbedingt auf Diamant selbst bezog. Etwas in ihm sah in ihr ein Symbol für das, was sein konnte, für ein mögliches neues Leben, eine mögliche Zukunft. Er begehrte sie nicht – noch nicht? – körperlich. Wenn es in diesem Stadium so etwas wie Begehren gab, so war es geistig-emotionaler Natur. Seltsam: Es schmeichelte ihm, dass Antonio sie für ein Paar hielt und sie beide in einem Schlafzimmer untergebracht hatte.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Diamant.
»Ist so etwas schon einmal passiert? Bei früheren Einsätzen?«
»Nein. Nie.«
Valdorian hörte, wie sich Diamant im Bett bewegte. Ein kleines Orientierungslicht glühte an der Wand neben der Tür, und durchs Fenster kam der Lampenschein der Stadt, begleitet vom dumpfen Brummen des Verkehrs, der auch nachts nicht zum Erliegen kann. Immer wieder erklangen akustische Signale.
»Schläft diese Stadt nie? Wie heißt sie doch noch?«
»Reggio Calabria. Bald wird sie für immer schlafen.«
»Darauf haben Sie Antonio nicht hingewiesen.«
»Sie wissen, warum.«
Valdorian nickte, obwohl Diamant das nicht sehen konnte. »Ich kann es mir denken.«
»Wir brauchen seine Hilfe. Er darf nicht von Gedanken an seine Flucht abgelenkt sein.«
Vermutlich gab es versteckte Abhörgeräte – jemand wie Antonio verzichtete bestimmt nicht darauf, seine Gäste zu belauschen. Aber sie sprachen InterLingua, eine Sprache, die es in dieser Zeit noch gar nicht gab.
Einige Sekunden lang blieb es still. »Wir scheinen nicht mehr schnell zu altern«, sagte Valdorian.
»Das spielt keine Rolle, wenn wir übermorgen noch hier sind.«
»Wenn Vivian morgen Abend nicht um dreiundzwanzig Uhr eintrifft … Wir könnten, wie von Ihnen selbst vorgeschlagen, eine sichere Region aufsuchen und auf das Eintreffen des ersten Kantaki-Schiffes warten.«
Wieder schwieg Diamant.
»Warum ist der Temporale einfach verschwunden? Und mit ihm das Blut?«
»Ich weiß es nicht«, betonte Diamant. »Sind Sie nicht müde? Wir sollten schlafen.«
»Ja«, sagte Valdorian. »Ja, Sie haben Recht.«
Er war müde, fand aber trotzdem keine Ruhe. Vielleicht lag es auch daran, dass er zum ersten Mal seit hundertzwanzig Jahren wieder eine gewisse Intimität mit Diamant teilte. Während er den Geräuschen der nächtlichen Stadt lauschte, kehrten immer wieder die gleichen Fragen zu ihm zurück. Warum war der Temporale verschwunden, so als hätte er nie existiert? Was steckte hinter der Explosion? Wie hatte es überhaupt zu dieser Aktion der Temporalen kommen können? Warum geschahen die Dinge in der Vergangenheit nicht so, wie Vivian sie Diamant geschildert hatte?
Schließlich schlief er ein – und träumte von Olkin.
»Sie hatten Recht«, sagte Antonio, als sie sich am frühen Nachmittag des nächsten Tages die Holo-Bilder einer Nachrichtensendung ansahen. Seine Frau hielt sich erneut im Hintergrund, ebenso ein Mädchen, das vermutlich seine Tochter war. Neben der Tür des Salons saßen die beiden Leibwächter vom vergangenen Abend.
Die Bilder wiederholten sich, von Satelliten aufgezeichnet: Es gleißte mehrmals im All, aber der heranrasende Asteroid wurde nicht zerstört, sondern brach auseinander. Und es war praktisch unmöglich zu berechnen, wo die einzelnen Bruchstücke einschlagen würden.
Valdorian beobachtete fasziniert den Beginn einer Katastrophe, die einen enormen Wandel für die Menschheit eingeleitet hatte – beziehungsweise einleiten würde.
»Aber vielleicht haben Sie nur gut geraten«, fügte Antonio hinzu.
»Glauben Sie?«
Der kleine Mann mit dem grau melierten Haar sah sie an und schüttelte nach einigen Sekunden den Kopf. »Nein. Offenbar haben Sie tatsächlich die Wahrheit gesagt. So verrückt auch alles klingt.«
»Wir müssen in den Keller jenes Hauses«, drängte Diamant. »Schnell. Vor morgen früh.«
»Ich habe bereits mit einigen Personen gesprochen«, sagte Antonio. »Aber es gibt Probleme.«
»Wenn es eine Frage des Geldes ist …«
»Nun …
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