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Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Titel: Kantaki 03 - Der Zeitkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Inneren des Rings … und verschwand darin. Er folgte ihr genau in dem Moment, als eine Woge aus Schlamm und Wasser in den Raum mit der grauen Leere brandete.
     

33
Ultima Ratio
     
Braun: Vortex
     
    Diamant verließ den Raum mit den Ringen nur noch, um ihre Notdurft zu verrichten oder Essen und Wasser aus der Synthesemaschine ganz oben im Vortex zu holen. Hier blieben ihre Gedanken unbeeinträchtigt von den Kopfschmerzen, die sie draußen erwarteten und die Proviantbeschaffung zu einem Martyrium machten, das sie alle paar Tage auf sich nehmen musste. Es gab eine externe Welt ohne diese Qualen, ohne das Gefühl, sich selbst zu verlieren. Besser gesagt, es hatte sie einmal gegeben, aber die Erinnerungen daran verblassten immer mehr. Der Raum mit den beiden goldenen Ringen dehnte sich aus, ohne an Volumen zu gewinnen, wurde mehr und mehr zu Diamants Universum.
    Den größten Teil ihrer Zeit verbrachte Diamant damit, dem Summen der Ringe zu lauschen, das sich immer mehr in eine Melodie verwandelte. Manchmal flüsterten auch Stimmen aus der Schwärze im Inneren der Ringe, erzählten ihr Geschichten, die vage Erinnerungen an ein anderes Leben weckten, und forderten sie auf, sich in Geduld zu fassen. Warte auf uns. Es dauert nicht mehr lange. Gelegentlich antwortete Diamant, obwohl vermutlich niemand sie hören konnte, und dann sagte sie: »Ich warte. Ich habe Zeit.« Aber stimmte das? Hatte sie wirklich Zeit? Wenn sie aufbrach, wenn Blase oder Darm sie dazu zwangen, wenn sie sich dann in spiegelnden Flächen sah, glaubte sie, Veränderungen zu erkennen: schwarzes Haar, das an Glanz verlor; mehr Falten im Gesicht. Vor allem aber waren es die Augen, die sie manchmal erschreckten, denn sie schienen einer anderen Person zu gehören, einem leeren Ich, das viel vergessen hatte.
    Etwas tief in ihr begriff, dass sie nicht mehr so viel Zeit hatte wie früher, als sie Kantaki-Pilotin gewesen war, aber dieser Gedanke war einer von vielen, die kaum Sinn ergaben. Wenn sie ihr Spiegelbild gesehen hatte, brachte die Rückkehr in den Raum mit den Ringen besondere Erleichterung, denn deren leiser Gesang erinnerte sie daran, was wirklich wichtig war.
    Manchmal, wenn sie die Kopfschmerzen als besonders schlimm empfand und die Rückkehr nicht sofort Linderung brachte, vertraute sie sich der Finsternis in den Ringen an.
    Sie wusste nicht, wie oft sie bereits in einen der beiden Ringe hineingetreten war, nachdem die Schwärze ihre Undurchdringlichkeit verloren hatte. Jedes Mal kam sie aus dem anderen Ring wieder heraus, als wären sie beide direkt miteinander verbunden. Der Durchgang schien nur wenige Sekunden – Sekunden? – zu dauern und bot den Vorteil, dass die grässlichen Kopfschmerzen sofort verschwanden.
    Als Diamant diesmal dicht vor den Ringen stand, brannte es nicht zwischen ihren Schläfen, aber das leise Lied hatte sich erneut verändert und etwas Verlockendes bekommen. Es erklangen keine Stimmen in den sanften Harmonien, doch sie fühlte sich gerufen und trat in den ersten Ring.
    Sofort spürte sie die Veränderung.
    Normalerweise blieb das Verweilen in der Dunkelheit auf die Länge eines tiefen Atemzugs beschränkt, aber diesmal hatte Diamant schon mehrmals geatmet – schwarzes Nichts –, ohne dass der andere Ring sie in den Raum zurückbrachte. Unruhe erfasste sie, hervorgerufen von einem Gefühl der Weite, die sich an verschiedenen Stellen im uniformen Schwarz auszudehnen begann.
    Wir kommen.
    Voller Hoffnung trat Diamant einen Schritt vor. Und stand plötzlich vor dem zweiten Ring. Und schrie, als Schmerz sie überfiel.
     
    »Was ist dies für ein Ort?«, fragte Valdorian.
    »Das fragen Sie mich?«, erwiderte Diamant. »Sie wollten doch unbedingt durch den goldenen Ring. Und Sie haben mich gezwungen, Sie zu begleiten. Das Notsystem hätte uns in Sicherheit gebracht.«
    »Das Notsystem war eine Falle.« In diesem Punkt war Valdorian ganz sicher, obgleich er diese Gewissheit nur mit einem instinktiven Gefühl erklären konnte, das jedoch keinen Platz für Zweifel ließ.
    Nicht annähernd so viel Gewissheit verband sich mit seinem gegenwärtigen Aufenthaltsort. Und mit den Stimmen.
    Seine Ohren glaubten, Diamants Stimme zu hören, doch er selbst war da nicht so sicher. Wenn er sie vernahm, schien sie aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen, ohne dass er den Eindruck gewann, ein Echo zu hören. Und vor allem: Diamant war nicht hier.
    Valdorian saß auf einer Parkbank und beobachtete, wie manchmal Schatten übers nahe

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