Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
Luft, rollte zur Seite und sah … Diamant.
Eine andere Diamant. Sie hockte in einer Ecke, das Haar lang und zerzaust, das Gesicht blass und hohlwangig, die Kleidung schmutzig und abgerissen. Am schlimmsten waren die Augen: Sie blickten leer; das vitale Ich hinter ihnen war erloschen.
»Diamant?«, sagte Valdorian leise.
»Ich bin hier«, ertönte es, und die ihm vertraute Diamant trat aus einem der beiden summenden goldenen Ringe.
»Ich meine …«
»Ja, ich weiß.«
Valdorian stand auf, als die Diamant, die ihn begleitet hatte, zu der anderen trat. Die Vibration in seinem Inneren war stärker geworden und bestätigte ihm: Sie befanden sich am richtigen Ort. »Wir sind am Ziel«, sagte er.
»Das arme Kind«, sagte Diamant und sprach von der anderen Version ihres Selbst wie von einer anderen Person, die Mitleid verdiente.
»Ich habe so lange gewartet«, sagte die andere Diamant leise und rau. »So lange. Die Kopfschmerzen … Draußen sind sie unerträglich. Nur hier bin ich von ihnen verschont geblieben. Seid ihr die Stimmen, die ich gehört habe?«
»Ich weiß nicht, wen oder was du gehört hast, aber wir werden dir helfen. Jetzt bist du nicht mehr allein. Gleich wirst du …«
Diamant sprach nicht weiter, aber Valdorian begriff sofort, was sie meinte: Absorption. Er hatte diesen seltsamen, unheimlichen Vorgang schon einmal beobachtet, im Kastell, und jetzt wiederholte er sich. Die Diamant, die zusammen mit ihm auf der Erde gewesen war, streckte ihrem anderen Selbst beide Hände entgegen, legte sie ihr wie tröstend auf die Wangen. Sie seufzte leise und …
… löste sich auf!
Valdorian beobachtete, wie im letzten Sekundenbruchteil vor der Absorption Überraschung und Entsetzen in Diamants Augen aufleuchteten, als sie begriff: Dies war keine lästige Routine, die ihre Bürde aus unangenehmen Erinnerungen noch schwerer machte. Die bittere, zynische Diamant hatte ihr dreiundzwanzigstes Selbst aufnehmen wollen, davon überzeugt, dass ihre Realitätsstruktur stärker war.
Ein Irrtum, wie sich jetzt herausstellte. Diese Diamant war realer.
Wieder gewann Valdorian den Eindruck, dass eine Art Feder über die Innenseiten seines Schädels strich, und die ihm vertraute Diamant … wurde zu einem Schatten, den die andere Frau in sich aufnahm.
Leben kehrte in leere Augen zurück.
Die Frau mit dem langen, zerzausten Haar stand langsam auf, sah sich verwundert um und verzog das Gesicht, als sie den eigenen Geruch zum ersten Mal seit langer Zeit wieder bewusst wahrnahm. »Wie habe ich mich nur selbst ertragen können?«
»Diamant?«, fragte Valdorian vorsichtig und hörte, wie sich das Summen der beiden goldenen Ringe hinter ihm veränderte.
»Dorian …« Es klang nicht direkt sanft, aber auch nicht annähernd so bitter wie bei der anderen Diamant. »Das Gewicht so vieler Erinnerungen …« Sie schwankte.
Valdorian war sofort bei ihr, stützte sie und achtete nicht auf den üblen Geruch.
»Ich habe das Gefühl, viele verschiedene Leben gelebt zu haben«, ächzte Diamant. Sie war schwach, und doch viel stärker und lebendiger als noch vor wenigen Sekunden. »Die vielen Einsätze, so viel Schmerz, Esmeralda … Auch hier ist eine Esmeralda gestorben, vor langer Zeit. Ich habe gewartet, immer gewartet, viele Jahre lang. Und ich habe … den Verstand verloren, glaube ich.« Sie hob beide Hände zum Kopf. »Weil das Universum um uns herum kollabiert. Die kosmischen Konstanten verändern sich, und das beeinflusst auch uns, und …« Sie unterbrach sich, ließ die Hände sinken und sah Valdorian an. »Sie hat Ihnen die Schuld an allem gegeben.«
»Und sie hat mir etwas versprochen.« Valdorian wich ein wenig von dieser anderen Diamant zurück und blickte ihr in die Augen, die wieder voller Vitalität waren. Er sah dort nicht die Bitterkeit der anderen Diamant und fragte sich, ob er das für ein gutes oder schlechtes Zeichen halten sollte. Plötzliche Sorge erfasste ihn. »Wenn ich Sie zum Vortex bringe …«
»Ich weiß. Ich erinnere mich. Eine Diamant in mir erinnert sich.«
»Sie sind Diamant und damit an das Versprechen gebunden.« Es klang fast trotzig, fand Valdorian.
»Und wieder geht es Ihnen vor allem um das eigene Schicksal, nicht wahr?«, fragte Diamant traurig. »Das steht immer im Vordergrund.«
»Ich habe mich geändert. Bitte glauben Sie mir. Bitte … erinnern Sie sich.«
»O ja, ich erinnere mich, Dorian. An alles.«
Diamants Blick schien durch Valdorians Augen bis in die letzten Winkel
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