Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Titel: Kantaki 03 - Der Zeitkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
ihren Blitzen wuchs ein keilförmiges Objekt mit Buckeln und langen, nach vorn ragenden Nadeln.
    Das tropfenförmige Rettungsboot begann zu zittern, wie ein lebendes Geschöpf, das sich fürchtete. Ein seltsamer Ton erklang, wie das Klagen einer Saite, die zu straff gespannt gewesen war und riss. Das kleine Schiff kippte und sprang durch das Gewirr aus bunten Bändern der Zeit, die wie Schlangenknäuel in ständiger Bewegung waren. Aida hatte beide Hände um das hufeisenförmige Steuer geschlossen und übermittelte den Daten- und Navigationsservi des Rettungsboots knappe verbale Anweisungen. Die blitzenden Lichter kamen so nahe, dass Diamant Einzelheiten erkennen konnte – das helle Pulsieren ging von kleinen käferartigen Gebilden aus.
    »Kann ich irgendwie helfen?«, fragte sie.
    »Nein.« Aida änderte abrupt den Kurs des Rettungsboots, als Energie von den Buckelnadeln des Keils zu seiner Spitze sprang, und von dort aus dem kleinen Schiff entgegen. Etwas Gleißendes zuckte dicht an dem Boot vorbei, und Diamant fühlte nicht nur eine heftige Erschütterung – etwas zerrte an ihrem Selbst und schien bestrebt zu sein, es zu zerfetzen.
    Aida schnitt eine Grimasse. »Ist nicht sehr angenehm, oder? Wir sollen zu einem Transfer gezwungen werden.« Sie nickte in Richtung des pseudorealen Fensters und meinte den Keil. »Das ist ein Destruktor, nicht besonders groß, aber groß genug, um uns zu vernichten. Doch jemand dort draußen hofft, dass wir springen, zu einem Refugium oder gar zum Kastell.«
    »Zum Kastell?«
    »Das Zentrum des Widerstands gegen die Temporalen«, sagte Aida und drehte das Steuer. Aus dem Heck des Rettungsboots kam ein schrilles Heulen, und zwei Spürhunde der Temporalen huschten dicht an dem kleinen Schiff vorbei, das nicht durch den Raum flog, sondern durch die Zeit. »Seine Entdeckung wäre unser aller Ende.«
    Während ihres dreihundert Jahre dauernden Lebens war Diamant immer wieder in schwierige Situationen geraten und hatte gelernt, einen kühlen Kopf zu bewahren, das Unwichtige vom Wichtigen zu trennen und sich allein auf die Erfordernisse einer bestimmten Situation zu konzentrieren. Diesmal aber kam es zu einem Notfall, während sie noch versuchte, mit den vielen neuen Informationen fertig zu werden und ihren Platz in einer verblüffend komplexen und fremdartigen Welt zu verstehen. Außerdem musste sie sich mit einer passiven Rolle begnügen, was alles noch schlimmer machte. Diamant versuchte, ihre Gefühle – durcheinander gewirbelt von Esmeraldas Tod und der Begegnung mit ihrer Schwester – in eine mentale Ecke zu drängen, um sich nicht von ihnen überwältigen zu lassen.
    Das pseudoreale Fenster zeigte den Keil, den Destruktor der Temporalen, und wieder wuchsen Energiefinger von den Buckelnadeln zur Spitze. Aida hielt das Rettungsboot auf einem wilden Zickzackkurs, aber der Keil folgte ihren Manövern. Erneut gleißte es, und Diamant hörte ein Knistern in der Luft, begleitet von einem Zerren, das ihr die Seele entreißen wollte.
    »Ich … halte … das … nicht … aus«, brachte sie mühsam hervor. Ein Messer schien durch ihr Gehirn zu schneiden, heiß und scharf, und das Atmen fiel ihr schwer, als hätte sich die Luft in Sirup verwandelt, der ihre Lungen verklebte.
    »Ich programmiere Zufallssprünge durch die Zeitbänder.« Aidas Stimme klang verzerrt. »Vielleicht gelingt es uns damit, den Spürhunden und dem Destruktor zu entwischen.«
    Neuerliches Gleißen loderte dem Rettungsboot entgegen, und Diamant schloss die Augen, doch hinter ihren Lidern entflammte Feuer und steckte ihren Geist in Brand.
    Sie öffnete den Mund und …
     … schrie in einer Stille, die den Schrei aufsog. Diamant sah, wie sich die Lippen ihrer Schwester bewegten, aber sie hörte nichts, auch nicht das Heulen aus dem Heck des Rettungsboots. Die Lautlosigkeit befreite sie vom grässlichen Schmerz, der sich durch ihr Selbst gefressen hatte.
    Das pseudoreale Fenster flackerte wie bei einer Fehlfunktion, die es innerhalb einer Sekunde mehrmals ein- und ausschaltete. Das Wogen der Farben im Ozean der Zeit erfuhr dadurch eine scheinbare Verlangsamung, und Diamant beobachtete fasziniert, wie die käferartigen Spürhunde wieder zu Lichtern wurden und der Destruktor in einem grünen Band verschwand. Das schnelle Flackern wirkte fast hypnotisch, und Diamant spürte, wie sie sich zu entspannen begann …
     
     
Braun
     
    Die Geräusche kehrten mit akustischer Gnadenlosigkeit zurück, ein jähes Heulen, das wie

Weitere Kostenlose Bücher