Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
ein Aufschrei des Rettungsboots klang, und mit dem Kreischen kam ein heißer Schmerz, ein mentales Feuer, das ihre Gedanken verbrannte.
»Es wird gleich besser«, sagte jemand. Aida? Von welcher Person auch immer die Worte stammten – sie behielt Recht. Aus dem Heulen wurde wieder das gleichmäßige Summen der Bordsysteme, und der Schmerz wich von Diamant, wurde zu einer unangenehmen Erinnerung.
Sie atmete tief durch und stellte fest, dass das pseudoreale Fenster nicht mehr den Ozean der Zeit zeigte, sondern das All.
»Ein Teil der Destruktor-Energie hat uns durch die Transfers begleitet«, erklärte Aida. Sie war blass; offenbar hatte sie ebenfalls gelitten. »Einige Kognitoren haben bei so etwas schon den Verstand verloren.«
»So fühlte es sich an«, sagte Diamant leise. »Wo sind wir? Oder sollte ich besser fragen: Wann sind wir?«
»Sondierung läuft.« Aida deutete auf die Anzeigen des Datenservos.
Das Rettungsboot drehte sich, und eine Galaxis geriet in Sicht. Aber etwas stimmte nicht mit ihr. Nur noch die eine Hälfte existierte, und wo Diamant die zweite erwartete, erstreckte sich eine … Dunkelheit, die schwärzer wirkte als das Schwarz des Weltraums, eine Zone des Nichts, wie ein gewaltiges, mehr als fünfzigtausend Lichtjahre durchmessendes Schwarzes Loch.
»Ist das eine optische Täuschung, oder …«
»Nein.« Aidas Finger huschten wieder über die Schaltelemente. »Der Datenservo hat mehrere stellare Fanale identifiziert. Es ist eindeutig die Milchstraße.«
»Nur die Hälfte davon.«
Aida nickte und wirkte plötzlich sehr, sehr ernst. Ihr Blick galt noch immer den Anzeigen. »Die gravitationelle Integrität existiert nicht mehr. Die Sterne der Restgalaxis umkreisen kein gemeinsames Gravitationszentrum mehr, sondern treiben auseinander. Und die Zone der Finsternis dehnt sich aus.«
»Der Abissale«, hauchte Diamant.
»So nennen ihn die Kantaki, ja. Der Omnivor. Dies ist viel mehr als nur der Keim, den Valdorian auf Kerberos weckte und mit dem er die Temporalen aus dem Null befreite. Er kann nicht allein auf diese Größe gewachsen sein. Vermutlich hat er sich mit anderen Keimen vereint, vielleicht mit den im Milchstraßenzentrum verschwundenen ›Splittern Gottes‹, wie man sie während des ersten Zeitkriegs nannte.« Aida sah ihre ältere Schwester, die gleichzeitig viel jünger war, groß an. »Der Kollaps … Hier hat er begonnen. Hier ist es den Temporalen gelungen, das Fünfte Kosmische Zeitalter einzuleiten, und mithilfe des Omnivors werden sie es zu einem raschen Ende bringen, wenn wir sie nicht daran hindern. Dies ist die eine Linie mit objektiver Zeit.«
Das Rettungsboot schaukelte wie auf den Wellen eines Meeres, als Aida beschleunigte. »Datenservo!«
»Bereitschaft.«
»Stell die temporalen Koordinaten dieser Realitätslinie fest.«
»Bestätigung.«
Diamant beobachtete das schwarze Etwas, das bereits die Hälfte der Milchstraße verschlungen hatte, Millionen von Sonnen und Planeten, und sie erinnerte sich an die Legenden der Kantaki. Sie berichteten vom Abissalen, dem Omnivor, einer Realität fressenden Entität, die seit dem Beginn von Zeit und Raum das Universum durchzog und die nichtlineare Zeit geschaffen hatte. Sie hinterließ … nichts, eine Leere, die weder Materie noch Raum-Zeit enthielt.
Der Rest der Galaxis waberte, und etwas schob sich aus dem Flimmern, ein Gebilde, das aussah wie ein riesiger grauer Trichter.
»Wir haben einen Kausalitätspunkt erreicht!«, entfuhr es Aida aufgeregt. Sie deutete nach vorn. »Und das ist … der zentrale Vortex der Temporalen. Von dort kommen ihre Spürhunde, Würmer und Eliminatoren. Dort wird alles geplant. Das Zentrum der Manipulation.«
Der gewaltige graue Trichter drehte sich wie ein Strudel, und vielleicht war er genau das, dachte Diamant: ein Strudel in der Zeit. Kleine Punkte lösten sich von seinem Rand und flogen dem Rettungsboot entgegen.
»Meine Güte, der Widerstand sucht seit einer Ewigkeit nach dem Vortex! Datenservo, wo bleiben die temporalen Koordinaten?«
»Sondierung und Berechnung dauern an. Störende Emissionen werden stärker.«
»Da kommt etwas«, sagte Diamant.
Aida schien sie gar nicht zu hören und sah auf die Anzeigen. »Entfernung drei Lichtminuten. Durchmesser fast hunderttausend Kilometer. Starke temporale Fluktuationen … Es ist der zentrale Vortex, kein Zweifel. Die Quelle des Ozeans der Zeit.«
Kleine Keile zeichneten sich vor der Dunkelheit ab, die die Hälfte der Milchstraße
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