Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
als Mitglied des Widerstands, führten seit Jahrtausenden Krieg gegen die Temporalen, und sie hatten diese erste Zuflucht immer weiter ausgebaut, bis ein Gebilde daraus entstanden war, das an der breitesten Stelle fast vierzigtausend Kilometer durchmaß und langsam im ruhigen Bereich hinter den Strudeln und Wirbeln rotierte. Als sich die Schiffe dem Kastell näherten und es nicht mehr als Ganzes zu sehen war, sondern nur noch ausschnittweise, fühlte sich Diamant kaum noch an eine Feste erinnert, sondern an die asymmetrische modulare Struktur eines Kantaki-Schiffes.
»Es ist riesig«, sagte Xadelia bewundernd.
Diamant nickte. »Und es ist unsere letzte Hoffnung.«
Dutzende von Schiffen huschten General Lukas’ Flottille entgegen, und zahlreiche weitere Schemen und Schatten schwirrten in der Nähe des Kastells umher: unterschiedlich konfigurierte Kampfschiffe in verschiedenen Verteidigungsgürteln. Selbst wenn die Temporalen das Zentrum des Widerstands eines Tages entdecken sollten – es würde ihnen nicht leicht fallen, die defensiven Zonen zu durchbrechen und das Kastell selbst zu erreichen. Die eigentliche Gefahr drohte von einer anderen Seite, durch eine Zeitmanipulation, die die Konstruktion des Kastells verhinderte. Deshalb versuchte der Widerstand, alle damit in Zusammenhang stehenden Kausalitätspunkte zu schützen.
»Ein Verbund aus Raumstationen, größer als ein Planet«, staunte die Vitalin. »Wie viele Personen leben dort?«
»Nicht annähernd so viele, wie Sie vielleicht glauben. Nur etwa drei Millionen. Es waren einmal doppelt so viele, aber die Einsätze fordern immer wieder Opfer, und wir können nicht mehr so viele Kognitoren retten wie früher.«
»Der Widerstand … nutzt sich ab?«
»So könnte man sagen. Sie sind unsere große Hoffnung, Xadelia. Vielleicht gelingt es uns mit Ihrer Hilfe, die temporalen Koordinaten des Vortex zu ermitteln oder gar den originären Manipulationspunkt zu finden.«
»Und wenn ich den in mich gesetzten Erwartungen nicht gerecht werden kann?«
»Jeder von uns muss den Beitrag leisten, den er leisten kann, Xadelia. Es wäre töricht, mehr zu erwarten. Wir können nur hoffen, dass es genügt.«
Während der nächsten beiden Stunden gab es so viel zu tun, dass Diamant weitgehend von nagenden Gedanken verschont blieb – andere Dinge erforderten ihre Aufmerksamkeit. Zusammen mit Xadelia, Mrlgrrd und General Lukas suchte sie die zentralen Bereiche des Kastells auf, um dort ausführlich Bericht zu erstatten und die neue Heimstatt der Vitalin vorzubereiten: eine spezielle Biosphäre in einem Modul des Stationskomplexes, in der zahlreiche Servi ein Feyindar-Ambiente nachzuahmen versuchten. Diamant hoffte, es reichte aus, dass sich Xadelia nicht zu einsam fühlte, verloren an einem fremden Ort. General Lukas lud sie zu mehreren kurzen Einsatzbesprechungen ein, die ihr eine Vorstellung von der aktuellen Lage vermittelten. Zusammengefasst ließ sie sich so beschreiben: Es sah mies aus. Eine neue Waffengeneration der Temporalen war in der Lage, die Refugien des Widerstands ausfindig zu machen, deren Evakuierung bereits begonnen hatte. Bald würde die Einwohnerzahl des Kastells wieder steigen, aber aus den falschen Gründen. An allen Fronten – wenn man davon sprechen konnte – fanden Rückzugsgefechte statt, und Diamant erinnerte sich an das, was sie im Refugium Corrian zu General Naifeh gesagt hatte: Wir haben den Krieg verloren. Wir versuchen nur noch zu retten, was zu retten ist.
Alles deutete darauf hin, dass Xadelia tatsächlich die einzige Hoffnung des Widerstands war.
Und das lenkte Diamants Gedanken zurück zu den Dingen, von denen Xadelia erzählt hatte. Allein in ihrem Quartier tief im Inneren des Kastells wandte sie sich einem Kom-Servo zu und aktivierte ihn.
»Sind derzeit externe Transverbindungen möglich?«, fragte sie.
Einige Sekunden verstrichen, und eine synthetische Stimme antwortete: »Ein abgeschirmter Kommunikationsschacht ist derzeit stabil.«
»Ich bin Diamant, Kantaki-Pilotin. Ich wünsche eine Transverbindung mit dem nächsten erreichbaren Archiv der Kantaki.«
»Bitte warten Sie.«
Diamant wandte sich vom Kom-Servo ab, durchquerte das Zimmer und trat an die Panoramawand heran, die in ein pseudoreales Fenster verwandelt werden konnte. Sie wählte eine Außenansicht und sah eine Zeit lang hinaus auf den Ozean der Zeit, beobachtete die Schatten der zahlreichen Wachschiffe und die ersten eintreffenden Evakuierungskonvois. Dann veränderte
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