Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
Konflikt der Konzepte … Vor fast vier Millionen Jahren forderten einflussreiche Kantaki eine Veränderung des Sakralen Kodex, und dabei ging es nicht nur um eine aktivere Rolle der Kantaki im galaktischen Geschehen. Sie verlangten eine wichtige Änderung der philosophischen Prinzipien, mit dem Ziel, das Vierte Kosmische Zeitalter nicht länger zu stabilisieren, sondern dafür zu sorgen, dass es möglichst bald ins Fünfte übergehen konnte. Jene Kantaki vertraten die Ansicht, dass der Materie gewordene Geist genug erfahren und gelernt hatte, und dass es an der Zeit war, den Kreis der Schöpfung zu schließen. Damals kam es zu heftigen ideellen Auseinandersetzungen, und schließlich sprach sich die Mehrheit der Kantaki gegen entsprechende Änderungen in Philosophie und Sakralem Kodex aus. Das Ergebnis war: Unter der Führung von Mutter Krorah, einer der Fünf Großen ihrer Zeit, brach ein Teil des Kantaki-Volkes auf, um die Milchstraße für immer zu verlassen. Die Exilanten galten als Abtrünnige, aber sie waren fest davon überzeugt, den richtigen Weg zu beschreiten. Für immer kehrten sie der Heimat den Rücken, und man hörte nie wieder etwas von ihnen.«
»Das beweist nur, dass auch die Weisheit der Kantaki nicht perfekt ist«, sagte Xadelia.
»Genau darum geht es.« Diamant sprach jetzt mit einem gewissen Nachdruck. »Es könnte sein, dass sie sich irren.«
»Alles könnte sein, Diamant. Sie haben Sakrium und Plurial erwähnt. Die Paralleluniversen enthalten alle Möglichkeiten, die die Gesetze der Kausalität zulassen.«
»Ich meine etwas anderes, und das wissen Sie auch!«, sagte Diamant mit einer Schärfe, die sie selbst überraschte. Nach zwei oder drei Sekunden fügte sie hinzu: »Bitte entschuldigen Sie, Xadelia.«
»Ich weiß, was Sie empfinden«, sagte die Vitalin mit mütterlicher Einfühlsamkeit. »Ich empfange Ihre Emotionen fast wie das Echo einer meiner vielen Töchter, die …« Sie unterbrach sich, und die Schatten kehrten in ihr Gesicht zurück, als sie sich erinnerte, an ein Volk, das nicht mehr existierte.
Diamant beugte sich vor und berührte Xadelias Arm, der unter dem symbiotischen Mantel hervorragte. »Es tut mir Leid.«
»Warum sollten wir ernsthaft die Dinge infrage stellen, an die wir bisher geglaubt haben, nur weil ein in Überlieferungen auftauchender ›Erhabener‹ etwas anderes behauptet?«, sagte die Feyn im Partussessel. »Kann er die Wahrheit allein für sich in Anspruch nehmen? Was wissen wir von seinen Motiven? Wir wissen nur, dass er die Eternen unterstützt hat, dass er ihnen die Mittel gab, gegen uns Krieg zu führen. Warum sollten wir ihm glauben?«
»Aber die Saat des Zweifels ist ausgebracht.«
»Sie sind Kantaki-Pilotin und Jahrhunderte alt«, sagte Xadelia. »Sie sollten wissen, dass es im Leben keine absoluten Sicherheiten gibt.«
Wer therapiert hier wen?, dachte Diamant und entsann sich an das kurze private Gespräch mit Admiral Leloa. Wer spricht wem Mut zu?
»Und ich weise noch einmal darauf hin, dass dies der zentrale Punkt ist«, fügte die Vitalin hinzu. »Das Leben. Die Eternen vernichten es, löschen es einfach aus. Wir versuchen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, es zu schützen. Wenn man diesen Maßstab anlegt, wer sind dann ›die Guten und die Bösen‹, wie Sie es nannten?«
Diesmal war es Diamant, die seufzte. »Sie sind sehr weise, Xadelia.«
»Leider bin ich auch sehr allein.«
»Ich weiß. Und deshalb bin ich hier und für Sie da. Lassen Sie mich Ihnen aus meinem Leben erzählen …«
Drei Tage später erreichten der Transporter und seine Eskorte das Kastell.
Strudel und schnelle Strömungen gab es an dieser Stelle im Ozean der Zeit, die wie ein Wildwasser wirkten, das bunte Bänder zerfaserte und ihre Farben durcheinander wirbelte, ohne dass sie sich ganz miteinander vermischten. Aber es existierte auch ein ruhiger Bereich, wie hinter einem großen, inmitten von Stromschnellen aufragenden Felsen, und dorthin glitt General Lukas’ Kampfverband, mit dem Transporter in der Mitte.
In der ruhigen Zone schwebte das Kastell, und der erste Eindruck war tatsächlich der eines Schlosses oder einer Burg: Zinnen, Türme, Wehrgänge auf hohen Mauern … Doch dem ersten Eindruck gesellten sich schnell weitere hinzu, die ihn relativierten. Diamant, die aus dem Panoramafenster von Xadelias Quartier blickte, sah eine gewaltige Raumstation, die gewachsen wirkte, und das war sie auch, in gewisser Weise. Manche Völker, so wusste sie
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