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Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Titel: Kantaki 03 - Der Zeitkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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wir, wenn nicht die Summe unserer Erinnerungen und Erfahrungen?«, fragte sie, ohne zu ahnen, dass sich Valdorian einmal die gleiche Frage gestellt hatte. »Und was sind wir, wenn unsere Erinnerungen und Erfahrungen falsch sind?«
    Esmeralda trat auf Stufen, die nur sie sah, und in einer Höhe von etwa einem Meter nahm ein Kraftfeld sie auf, hüllte ihren Körper in warme Energie und drehte sie langsam. Das glatte blonde Haar flatterte in dem Luftstrom, wurde zu einer gelben Wolke. »Denk nicht an das, was geschehen ist«, sagte sie. »Denk daran, was vor uns liegt.«
    Auch diesmal ging Diamant nicht auf ihre Worte ein. »Ich erinnere mich an Dinge, die in dieser Realitätslinie nie geschehen sind. Zum Beispiel Valdorian, der einmal eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt hat. Du hast mir gesagt, ich hätte dir nie von ihm erzählt, aber das stimmt nicht. Wir haben über ihn gesprochen, vor vielen Jahren. Es ist alles ganz klar in meinem Gedächtnis.« Diamant hob die Hände zu den Schläfen. »Und die Feyn. Ich erinnere mich deutlich daran, wie du von deinem Besuch auf Feyindar berichtet hast. Aber in dieser Welt ist das alles nicht passiert. Bestimmt ist mein Kopf voll von solchen Dingen. Und wenn ich die Erinnerungen, die nicht aus dieser Realität stammen, irgendwie löschen könnte … Was bliebe dann von mir übrig?«
    Esmeralda richtete sich halb auf. »Mir gefällt nicht, in welche Richtung deine Gedanken zielen.«
    »Die blauen Linien sind die stabilsten, habe ich im Refugium Amyldema mehrmals gehört«, sagte Diamant. »Weil die Manipulationen teilweise rückgängig gemacht werden konnten. Aber die Temporalen sind nach wie vor am Werk, manipulieren, verändern, und der Widerstand kontert mit Gegenmanipulationen der Zeit und mit Rekonfigurationen der Realitätsstruktur. Was bleibt unter solchen Umständen von der Wirklichkeit übrig?« Sie sah auf. »Können wir jemals wieder sicher sein, wer wir sind, was wahr ist und was nicht?«
    Esmeralda verließ den energetischen Kokon, trat die Treppe herunter, die nur für sie existierte, und näherte sich Diamant. »Komm«, sagte sie, nahm ihre Hand und zog sie mit sich.
    Im Nebenzimmer stand ein prächtiges Himmelbett, das vier oder fünf Personen ausreichend Platz geboten hätte. Esmeralda gab einen verbalen Befehl, woraufhin Wände und Decke idyllische Szenen einer unberührten Natur präsentierten. Ruhige, unaufdringliche Musik erklang, dazu geschaffen, zu entspannen, der Seele Frieden zu geben und den Gedanken Raum. Diamant ließ sich von Esmeralda auf das große Bett ziehen und von ihr entkleiden, obwohl sie nicht ganz bei der Sache war und auch nicht wusste, ob das, was jetzt geschah, wirklich ihrem Wunsch entsprach. Während der vergangenen Jahrzehnte war es mehrfach passiert, und sie hatte immer großen Gefallen daran gefunden. Die Liebe zu einer Frau engte sie nicht ein, sondern erweiterte ihren erotischen Horizont und bereicherte ihr Leben auf eine Weise, die sie zuvor vielleicht nicht für möglich gehalten hätte. Eine gewisse Poesie kam darin zum Ausdruck, gerade mit Esmeralda, und dieser Aspekt gefiel ihr sehr. Diesmal ließ sie sich lieben, begnügte sich mit der passiven Rolle, konzentrierte sich auf Esmeraldas Liebkosungen und erlaubte es ihnen, ihre Wahrnehmungswelt zu füllen und die Ungewissheiten daraus zu vertreiben, die ihr die jüngsten Erlebnisse beschert hatten. Wie herrlich, sich umarmen und küssen zu lassen! Wie herrlich, zarte Berührungen dort zu spüren, wo sie am meisten erregten und den größten Genuss brachten! Der erste Orgasmus zerriss die dunkle Wolke über Diamants Gemüt, und Sonnenschein erreichte wieder den Kern ihres Selbst. Es folgen weitere, jeder anders, jeder ein Schritt fort von der Düsternis, die sich in ihr ausgebreitet hatte, und schließlich blieb sie auf der Seite liegen, das Gesicht Esmeralda zugewandt, auf sehr angenehme Weise erschöpft.
    »Wozu brauchen wir Männer?«, fragte die lächelnde Esmeralda.
    »Oh, ich weiß nicht. Für gewisse Dinge sind sie durchaus nützlich.« Diamant lachte leise, drehte sich auf den Rücken und sah zur Decke hoch, ließ den Blick über eine Berglandschaft mit einem See und mehreren Wasserfällen gleiten.
    Nach einer Weile fragte Esmeralda: »Geht es dir jetzt besser?« Sie rückte etwas näher, streckte eine Hand aus und ließ die Fingerkuppen über Diamants Haut wandern.
    »Ja.« Ruhe herrschte wieder in ihrem Inneren, eine Gelassenheit, die auf den Erlebnissen von

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