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Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Titel: Kantaki 03 - Der Zeitkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Grar den beiden Pilotinnen mit.
     
    Das Podium im Pilotendom von Vater Grars Schiff war erweitert worden und wies zwei Sessel auf, die in einem Konsolenhalbkreis standen. Mehrere Akuhaschi saßen an den Pulten vor den gewölbten Wänden des großen Raums tief im Inneren des Kantaki-Schiffes. Vater Grar war ebenso zugegen wie der Zeitwächter: Brrin ruhte in einem Nährpilz auf einer Levitatorplattform; er war so alt, dass er nicht mehr gehen konnte. Moos wuchs an den verkümmerten Gliedmaßen, die aus dem Pilz ragten, und seine Fluoreszenzen zeigten sich nur als kurzes, mattes Aufflackern.
    In den Wänden schienen sich ovale Fenster zu öffnen: pseudoreale Darstellungen, die zeigten, was das Schiff sah und hörte. Es war in den Normalraum zurückgekehrt und schwebte etwa hunderttausend Lichtjahre über der Milchstraße und ihren Begleitern. Diamant betrachtete die Darstellung und dachte dabei an eine andere, an eine zur Hälfte vom Abissalen verschlungene Galaxis, davor der Vortex der Temporalen, das Zentrum der Manipulation, und daneben das Brutschiff Akida.
    Klickende Geräusche kamen von Brrin. »Wir sind da«, sagte der uralte Zeitwächter. »Der Bruchpunkt befindet sich in unmittelbarer Nähe.«
    Eine der getarnten Stellen, die nach dem Zerreißen des Schleiers sichtbar geworden waren.
    »Jetzt hängt alles von euch ab«, sagte Vater Grar. Er stakste zum Podium, streckte die vorderen Gliedmaßen aus und berührte beide Pilotinnen.
    Diamant wechselte einen kurzen Blick mit Esmeralda, registrierte ihr zuversichtliches Lächeln, legte die Hände in die Sensormulden, schloss die Augen und … wurde zum Schiff. Nach all den Jahren kannte sie jede einzelne der über dreihundert Hauptkomponenten, aus denen es bestand, zusammengehalten von den Bindungskräften existenzieller Harmonie; die energetischen Ströme in ihnen waren wie leise Stimmen, die zusammen einen perfekt aufeinander abgestimmten Chor bildeten. Und sie war die Dirigentin dieses Chors, gab dem Gesang Richtung und Struktur. Sie sah mit den Augen des Schiffes, hörte mit seinen Ohren, spürte die Kälte des Vakuums und fühlte die Strahlung im intergalaktischen All wie ein angenehmes Prickeln. Andere Präsenzen weilten in der Nähe: Esmeralda, warm und ruhig; Grar, stolz auf seine Pilotin und erwartungsvoll; und Brrin, umgeben von der ätherischen Gelassenheit des Alters, einer Aura der Würde und Weisheit. Sieh mit meinen Sinnen, mit meiner Erfahrung, Diamant, flüsterte seine Seele, und als Diamant hinausblickte ins All, sah sie etwas, das wie ein Riss wirkte, eine Linie, die noch schwärzer war als das Schwarz das sie umgab. Dahinter …
    Sie ahnte, was sich dahinter befand: die wogenden Farben des Ozeans der Zeit.
    Und die Spürhunde der Temporalen.
    Zusammen mit Esmeralda griff sie ins Schiff hinein, mitten in die brodelnde Kraft des Energiekerns, und schob Grars Koloss dem Riss entgegen, der viel zu klein wirkte, um ihn passieren zu lassen. Als die erste Komponente des Schiffes ihn berührte, fühlte Diamant ein sanftes Zupfen an ihrem Geist. Jetzt, flüsterte Brrin.
    Sie öffnete ihre Gabe, unterstützt von Esmeraldas Präsenz, griff so nach der Linie wie nach einem Faden im Transraum, und zog ihn in die Länge, während Esmeraldas Selbst an seinen Seiten zerrte, ihn breit genug werden ließ, um Grars Schiff aufzunehmen. Im gleichen Augenblick kanalisierten Diamants Gedanken die Transferenergie und gaukelten dem Schiff einen Sprung in den Transraum vor. Der Koloss sprang tatsächlich, aber nicht in die Dimension jenseits des Zeitstroms, sondern mitten in ihn hinein.
    Die fensterartigen Projektionslinsen an den Wänden zeigten nicht mehr das Feuerrad der Milchstraße und ihre Satellitengalaxien, sondern die schimmernden Farben des Ozeans der Zeit.
    »Transfer ist erfolgt«, meldete einer der Akuhaschi an den Pulten.
    Nun nahmen die beiden Pilotinnen unterschiedliche Aufgaben wahr. Esmeralda kümmerte sich um die Aktivierung der defensiven Systeme, mit denen Vater Grars Schiff ausgestattet worden war, während Diamant die Navigation übernahm. Die Sensoren des Schiffes, seine Augen und Ohren, übermittelten Daten, mit denen sie und die K-Datenservi kaum etwas anfangen konnten, aber Diamant ließ sich nicht von ihnen ablenken. Erneut griff sie nach der Kraft des Energiekerns, ließ das Schiff schneller werden und versuchte, es in den blauen Bereichen zu halten, den stabileren Zonen. Weit voraus zogen blinkende Punkte durch die Farben, und die

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