Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
betreffende Sonnensystem vor einem Angriff warnen.«
»Seit mehr als zwanzig Jahren haben keine Angriffe mehr stattgefunden«, sagte Allbur langsam.
»Die vier Superschiffe der Kronn sind bestimmt keine Friedensboten.« Judith schnaufte leise, als sie die chemisch betriebenen Manövrierdüsen aktivierte und die Horas vorsichtig näher ans Wrack der Station steuerte. Externe mobile Sensoren gewährten ihnen weiterhin Blick auf die Flotte.
Unbehagen erfasste Allbur, als er sah, wie einige Schiffe der Chtai und Geeta den Kurs änderten und zur Helleron-Station flogen. Die Daten in den QR-Feldern wiesen darauf hin, dass der Krankentransporter noch nicht geortet worden war, aber wenn die Vitäen-Schiffe ihren Anflug fortsetzten, mussten sie die Horas früher oder später selbst im Ortungsschatten der Station entdecken.
Ein medizinisches Warnsignal weckte die Aufmerksamkeit des Psychomechanikers: Die Medo-Servi registrierten hohe mentale Aktivität bei Rupert.
Sofort wandte sich Allbur den betreffenden virtuellen Kontrollen zu und rief weitere Informationen ab. Ein Bild erschien und zeigte ihm den jungen Mann, der den Stuhl gedreht hatte und wieder an die Wand starrte. Aber seine Haltung war jetzt anders, nicht mehr entspannt, sondern steif, ein wenig nach vorn gebeugt. Eingeblendete grafische Darstellungen gaben Auskunft über physische und psychische Aktivität.
Allbur diagnostizierte sofort starke Erregung.
Neben ihm schnaufte Judith erneut, und ihre dicken Finger huschten erstaunlich flink über die vor ihr schwebenden Kontrollen.
»Wir müssen weg von hier, Dorim, solange sich noch Gelegenheit bietet«, sagte sie schnell. »Die Chtai und Geeta scheinen das Wrack der Station untersuchen zu wollen, und in einer halben Minute sind sie bis auf kritische Distanz heran.«
Allbur beobachtete, wie Rupert zu zittern begann. »Was haben Sie vor?«
Judith handelte, während sie sprach. »Ich beschleunige uns mit maximalem Düsenschub, und anschließend gehen wir vom passiven in den stillen Modus.«
Andere QR-Felder zeigten, wie sich die Horas von der Helleron-Station entfernte, aber Allburs Blick galt noch immer Rupert, der jetzt langsam aufstand und dabei so heftig zitterte, dass sein mittellanges aschblondes Haar in Bewegung geriet. Er stand noch immer vor der Wand, mit jagendem Puls, die Stirn schweißfeucht, die Augen weit aufgerissen.
»Ich muss ihm helfen.« Allbur wollte aufstehen und zum Ausgang des Kontrollraums eilen, aber plötzlich wurde es dunkel um ihn herum.
Oder fast dunkel. Die virtuellen Kontrollen verschwanden, und die »leisen« Notsysteme wurden aktiv, auf einem wesentlich niedrigeren energetischen Niveau. Aus der Stimme des Schiffes – dem Brummen und Summen, das Allbur seit vielen Tagen hörte – wurde ein Flüstern und Raunen.
Ein gewöhnliches zweidimensionales Display zeigte mehrere Vitäen-Schiffe bei der toten Helleron-Station, doch Allbur achtete nicht darauf, denn ihm fiel ein, was der leise Modus bedeutete: Der Krankenbereich bekam weniger Energie, und die dortigen Sicherheitssysteme wurden auf ihre Basisfunktionen zurückgefahren. Bei den meisten Patienten war das nicht weiter schlimm, aber wenn Rupert jetzt eine manische Phase erlebte und das Entratol ihn nicht mehr ausreichend dämpfte …
»Sehen Sie nur, was mit Rupert los ist!«, stieß Allbur hervor und deutete auf einen der anderen flachen 2D-Schirme, der Rupert aus einer anderen Perspektive zeigte. »Wenn er jetzt auszubrechen versucht …«
»Die Schiffe der Vitäen sind gleich da«, erwiderte Judith mit lobotomer Ruhe. Sie drehte nicht einmal den Kopf. »Noch haben sie uns nicht entdeckt. Mit ein wenig Glück übersehen sie uns.«
Glück , dachte Allbur und lauschte dem seltsamen mentalen Klang dieses Wortes. Es schien plötzlich eine ganz besondere Bedeutung zu bekommen.
Rupert zitterte nicht mehr. Ganz langsam drehte er sich um und schien direkt in den visuellen Sensor zu blicken, als wüsste er, dass ihn jemand beobachtete.
In seinem Gesicht erschien etwas, das Allbur dort noch nie gesehen hatte: ein Lächeln. Er hob die Hand, wie zum Gruß – und verschwand.
Fomion , dachte Allbur. Teleportation. Er tastete nach dem Hals, berührte die Kontrollen und schaltete seinen Mentalblocker auf volle Leistung, auch wenn er damit seine Empathie beeinträchtigte. Das Unbehagen verwandelte sich in Entsetzen, und er überlegte, was schlimmer war: die nahen Graken-Vitäen im All oder ein Mörder, der seine Zelle verlassen
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