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Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)

Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)

Titel: Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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haben. Allbur blickte in sein eigenes Gedächtnis und suchte nach Antworten auf die Frage, ob Vitäen-Schiffe oder die Fremden das Feuer auf die Horas eröffnet hatten, doch die Lücken in seinen Erinnerungen schlossen sich nicht.
    Das Pseudoselbst der Tiefensondierung wollte weiter vorstoßen, in den Kern von Ruperts Ich, der so heiß glühte wie die Magmakammern unter dem Schlot eines Vulkans, aber Allbur stemmte sich dem geistigen Zerren entgegen. Seine eigene Präsenz und die der biotronischen Systeme schufen bereits Wellen der Instabilität, die sich in der vom Entratol betäubten Geistessphäre ausbreiteten wie Mikrofrakturen in unter Spannung stehendem Glas. Die »dumme« Biotronik des Sondierungsinterfaces wusste nicht, wie vorsichtig man an diesem mentalen Ort sein musste. Im Lauf der Zeit hatte Rupert, wie auch die anderen Brainstormer, eine gewisse Resistenz Entratol gegenüber entwickelt. Die massive Dosis bewirkte eine Art Lähmung auf neuronaler Ebene, aber davon waren in erster Linie die bewussten Kontrollsysteme betroffen, die geistigen Hauptverbindungsstraßen – auf ihnen konnten keine elektrischen und biochemischen Signale mehr übertragen werden. Doch Ruperts Unterbewusstsein lernte immer besser zu kompensieren. Das Entratol drängte den geistigen Verkehr in die zahllosen Nebenstraßen und schmalen Gassen, die parallel zu den Hauptstraßen verliefen oder sternförmig von ihnen ausgingen, ein weit verzweigtes Netz bildeten. Je größer die Entratol-Dosis, desto größer wurde dort das Verkehrsaufkommen. Und je wilder und chaotischer es dort zuging, desto höher wurde die Wahrscheinlichkeit, dass ein kleiner Zwischenfall zur Katastrophe führte.
    Weitere Erinnerungsbilder flogen vorbei, schneller als die ersten, und Allbur versuchte nicht, sie festzuhalten, denn damit hätte er weitere Instabilitätswellen ausgelöst. Er sah sich selbst, im Kontrollraum der Horas , neben der toten Judith. Und er sah mehrere Kronn-Dorne, die vor einem fremden Schiff flohen und auf den Krankentransporter feuerten, bevor die Fremden sie pulverisierten.
    An dieser Stelle verharrte der Bilderstrom, und ein seltsamer Frieden breitete sich aus – Rupert sprach mit Kaither.
    Eigentlich hatte Allbur warten und sich dann langsam weiter vortasten wollen, dem heißen, immer noch brodelnden Kern von Ruperts Ich entgegen. Doch das biotronische Pseudoselbst gab ihm keine Gelegenheit dazu. Es löste sich aus seinem Griff, glitt weiter und zog das Bewusstsein des Psychomechanikers hinter sich her – jemand betätigte die Interface-Kontrollen, ohne Rücksicht auf das prekäre Gleichgewicht in diesem mentalen Universum zu nehmen.
    Allbur sank in die Tiefe und versuchte, zumindest Einfluss auf die Richtung zu nehmen, während ihn die Biotroniksonden durch einen Bilderstrom zerrten. Ihr Vorstoß verursachte neue Wellen der Instabilität, und Allbur fühlte, wie um sie herum alles erzitterte – das metaphorische Glas stand kurz vor dem Splittern. War den Medos, oder wer auch immer an den Kontrollen stand, die Gefährlichkeit dieser Sondierungsphase nicht klar?
    Und dann verstand Allbur. Keil Thorman und die anderen fühlten sich sicher. Sie glaubten, dass die hohe Dosis Entratol einen mentalen Ausbruch wie auf Every oder an Bord der Horas verhinderte. Aber da irrten sie sich.
    Das Brodeln nahm zu. Das Feuer im Kern von Ruperts Selbst brannte heißer.
    Allbur wusste, dass es seinen Ursprung in dem Trauma hatte, durch das Rupert zum Mörder geworden war. Doch diesmal versuchte er nicht, hinter die geistigen Flammen zu schauen, um den Grund zu erkennen. Stattdessen breitete er seine Empathie aus und schickte beruhigende Signale in alle Richtungen. Doch das Brodeln nahm zu; die Katastrophe ließ sich nicht mehr aufhalten.
    Der Psychomechaniker reagierte instinktiv und trachtete danach, sich vom biotronischen Pseudoselbst zu lösen, aber das gelang ihm nicht. Die Sonden setzten ihren Weg zum Kern fort und zogen Allbur unerbittlich mit sich. Weitere Bilder jagten ihm entgegen, wie Funken aus Ruperts Seelenfeuer, und eins von ihnen lockte mit Dunkelheit und Kühle. Allbur griff danach, fast in der Hoffnung, einen Ausweg zu finden und Ruperts Ich rechtzeitig verlassen zu können, bevor es zu einem fatalen Ausbruch kam. Das Erinnerungsbild umhüllte ihn wie eine Decke, schien ihn auch vom Zerren der Sonden zu trennen.
    Für einige subjektive Sekunden schwebte Allbur in schwarzer Ruhe – in einer Ruhe, die Rupert vorübergehend von seinen

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