Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
bleibt nichts von dir übrig«, fuhr er etwas ruhiger fort. »Ich habe es mehrmals erlebt, Rupert, bei den ersten Brainstormern. Und diesmal werden sie nicht die geringste Rücksicht nehmen. Dein Wissen ist ihnen zu wichtig. Sie werden es aus dir herausholen, und anschließend bist du nur noch eine leere Hülle. Verstehst du, Rupert?«
Er packte den jungen Mann an den Schultern und rüttelte ihn, als könnte er Antworten aus ihm herausschütteln, und dabei fragte er sich, ob die Patient-Therapeut-Beziehung eine neue, kritische Phase erreicht hatte. Er neigte immer dazu, besonders enge Beziehungen zu den Brainstormern zu knüpfen, mit denen er es zu tun bekam, aber Rupert fühlte er sich so nahe, dass die eigene Integrität in Gefahr geriet.
Die dunklen Augen des jungen Mannes – des vielfachen Mörders, erinnerte sich Allbur – blieben leer, und ihr Blick ging durch ihn hindurch. Er schwieg, hatte sich in seinem eigenen Innern verkrochen, auf der Flucht vor einer Qual, mit der er andere getötet hatte.
Dorim Allbur ließ enttäuscht die Hände sinken und wusste: Die letzte Chance war vertan.
Nur wenige Sekunden später summte sein Kom-Servo, und ein kleines pseudoreales Projektionsfeld bildete sich vor dem Psychomechaniker, zeigte ihm einen grau wirkenden Mann in einer grauen Uniform.
»Kehren Sie mit Rupert zurück, Allbur«, sagte Keil Thorman. Seine Stimme klang fast so neutral wie die eines Lobotomen.
»Wenn Sie mir noch etwas mehr Zeit geben …«
»Nein. Wir haben schon zu viel Zeit verloren. Ruperts Informationen könnten große Bedeutung für den Krieg gegen die Graken haben. Die Spezialisten sind gerade eingetroffen; es ist alles bereit.«
»Ich bin sicher, dass es mir gelingen würde, Antworten von ihm zu bekommen.«
»Sie kennen meine Entscheidung, Allbur. Ich erwarte Sie hier in der Station.«
Damit unterbrach Keil Thorman die Verbindung.
Rupert ruhte auf einer Bionenliege, die sich seiner Körperform anpasste und bereits Nano-Verbindungen mit den wichtigsten Organen hergestellt hatte. Allbur blickte besorgt auf die Anzeigen der Medo-Servi.
»Eine so hohe Dosis Entratol ist unzumutbar«, sagte er erschrocken.
Keil Thorman blieb unbewegt, so kühl wie ein Lobotomer. »In meiner Station wird sich das, was auf Every und an Bord der Horas geschah, nicht wiederholen.«
Allbur musterte Thorman kurz und fragte sich, ob er ihn hassen sollte. Grund dafür gab es zweifellos. Aber das Implantat verhinderte negative Empfindungen, die bei Therapien hinderlich sein konnten. Soweit er wusste, hatte sich der Keil keiner Gehirnoperationen unterzogen, die ihm seine Gefühle nahm und damit relativen Schutz vor den Graken gewährte, aber er verhielt sich wie jemand, der lange Zeit mit seinen Emotionen gerungen und sie besiegt hatte: eine menschliche Maschine, immer bestrebt, alle Anweisungen des Oberkommandos strikt zu befolgen. Vielleicht, dachte Allbur traurig, brauchte das Projekt Brainstorm jemanden wie ihn, einen Mann ohne emotionale Bürden, der völlig unbelastet von Mitgefühl und Anteilnahme entscheiden konnte.
»Er könnte sterben, Keil Thorman«, sagte er eindringlich und meinte damit nicht nur die Überdosis Entratol. Tiefensondierungen bei Brainstormern waren für die Betroffenen immer mit einem hohen Risiko verbunden, und das galt in besonderem Maße für Rupert. Wer oder was für das Trauma Verantwortung trug, durch das er zum Mörder geworden war – es stand mit etwas in Zusammenhang, das seine mentale Integrität verletzt hatte. Rupert war zum Opfer einer geistigen Vergewaltigung geworden, und jetzt stand ihm etwas Ähnliches bevor. Allbur schauderte unwillkürlich, so entsetzt wie ein Vater, der bei der Hinrichtung seines Sohns zusehen musste.
»Der Krieg erfordert Opfer«, sagte Keil Thorman schlicht und strich dabei über seine graue Uniform, in der sich nicht eine einzige Falte zeigte. Kalter Ernst hatte dieses Gesicht in eine harte Maske verwandelt. Nicht zum ersten Mal dachte Allbur daran, dass dieser Mann selbst eine Therapie nötig gehabt hätte. Welcher eisige Dämon wohnte in ihm?
Allbur wollte darauf hinweisen, dass der Krieg lichtjahreweit entfernt war und Rupert überhaupt nicht betraf, aber er kannte die Wahrheit zu genau: Der Krieg betraf sie alle, die gesamte Menschheit und die anderen Völker der Allianzen. Er schwieg auch deshalb, weil in diesem Moment die beiden Tal-Telassi der Station hereinkamen: zwei geisterhaft blasse Frauen, die eine jung, etwa vierzig, die andere
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