Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
Kristallstrukturen. Leise, glockenhelle Töne kamen von ihnen, und kleine, sporenartige Gebilde lösten sich, als Wind aufkam. Der Horizont erhellte sich schnell, viel schneller als bei einer normalen Morgendämmerung, verdrängte Düsternis und Kühle. Warme Böen kündigten sengende Hitze an.
Die Sonne blickte über den Rand der Welt und verbrannte alles, das ihr ungeschützt ausgeliefert war. Nur die Kristalle in der Wüste hießen ihr Gleißen willkommen und wuchsen.
Wieder in der Höhle beobachtete Dominique, wie eine künstliche, massive Barriere den Zugang verschloss.
»Ich glaube, ich habe von diesem Planeten gehört«, sagte Allbur nachdenklich, als sie den von Erinnerungen geschaffenen Geistern durch einen nach unten führenden Tunnel folgten. »Tartarus. Eine der Anarchischen Welten außerhalb der Allianzen. Besiedelt von Außenseitern und Flüchtlingen. Beschreibt eine komplizierte Umlaufbahn um einen Tristern.«
»Wussten Sie, dass Rupert von dort stammt?«
»Nein.« Dorim Allbur lächelte das sanfte Lächeln eines Mannes, der allein für seine Aufgabe lebte und darin Erfüllung fand. Dominique musterte ihn und fürchtete, irgendwann ebenso zu werden wie er, wenn sie keinen Weg fand, sich vom Einfluss des Implantats zu befreien. Der Gedanke löste sich sofort wieder auf, aber ein Schatten davon blieb. »Ich bin froh, dass Sie zu uns gekommen sind, Dominique. Ihr Talent ist es, das uns den Weg bereitet. Allein hätte ich es vielleicht nie geschafft. Endlich können wir Rupert helfen.«
Auch im Tunnel gab es mobile Barrieren, und als sich die letzte hinter ihnen geschlossen hatte, führte der Weg steiler in die Tiefe, manchmal über lange Treppen. Dominique und Allbur folgten den anderen Leuten, die meistens so deutlich zu sehen waren, als existierten sie tatsächlich, manchmal aber zu Schemen verschwammen. Einfache Lampen hingen an den Felswänden, von nuklearen Batterien betrieben, und von weiter unten kam das Stampfen schwerer Maschinen.
»Können Sie Rupert lokalisieren?«
Dominique horchte in Delm. »Wir nähern uns ihm. Ich fühle … Schmerz.«
»Ja«, sagte der Psychomechaniker traurig. »Schmerz.«
Etwas später, nach einer besonders langen Treppe, erreichten sie die Stadt, ein wildes urbanes Durcheinander aus Synthomassehäusern, zu Wohnmodulen umfunktionierten Stahlkeramikcontainern und aus anderen Materialien improvisierten Unterkünften. Wie ein lebender Organismus breitete sich die Stadt in der großen Höhle aus, wucherte über horizontale und schiefe Flächen, schob sich an Felsvorsprüngen empor und versuchte sogar, an den Wänden zu wachsen. Zwischen vielen Gebäuden und ihren Erweiterungen spannten sich kleine Brücken und Stege. Dominique sah sogar Verbindungen, die offenbar aus Stricken und Seilen bestanden.
Als sie die Stadt betraten und durch ein völlig unübersichtliches Gewirr aus Gassen und Tunneln gingen, gewann Dominique einen Eindruck von der Vielfalt des Lebens, das unter der Oberfläche von Tartarus Zuflucht gesucht hatte. Sie sah nicht nur Menschen verschiedenster Abstammung und Kulturen, sondern auch Ganngan, Taruf, Quinqu, Horgh, Grekki, Kariha, Pintaran, Piriden, Lhora, Bhardai und andere Geschöpfe, deren Namen sie nicht kannte. Das Durcheinander der Stimmen passte zum Chaos der Stadt. Gedanken und Gefühle empfing Dominique nicht, denn dies waren keine echten Personen, sondern Erinnerungen, beziehungsweise Fragmente davon, in einem fremden Bewusstsein. Sie sah Dinge, die Rupert einmal gesehen hatte, und so real vieles auch wirkte: Dies war eine Schattenwelt, eine Scheinwirklichkeit mit nicht mehr Substanz als ein Traum. Vielleicht hatte das, was sie hier sah und hörte, in dieser Form nie existiert. Möglicherweise gehörte diese Stadt unter der Oberfläche eines Wüstenplaneten zu einer künstlichen mentalen Welt, von Rupert geschaffen.
Tief im Innern der Stadt, umgeben von Gebäuden, die aussahen, als könnten sie jeden Augenblick umstürzen, blieben Dominique und Allbur an einer Stelle stehen, wo sich mehrere Gassen und Tunnel trafen. Hier gab es nur wenige Lampen, die viel Platz ließen für Schatten. Gestalten eilten dahin, Phantome, die Dominique und ihren Begleiter wie Luft durchdrangen.
Dominique orientierte sich. »Es kann nicht mehr weit sein.« Sie deutete auf die Öffnung eines nach unten führenden Tunnels. »Dort entlang.«
Sie waren erst einige Schritte weit gekommen, als Dominique eine Veränderung bemerkte und sich umdrehte. Die Stadt
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