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Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)

Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)

Titel: Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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hinter ihnen verlor ihre Farben, wurde so grau, als würden sie sie durch einen Dunstschleier sehen.
    »Er weiß, dass wir da sind«, sagte Dorim Allbur.
    »Ja.« Dominique ging weiter. »Aber er hat uns noch nicht lokalisiert.«
    »In dem Fall hätte er sich längst gewehrt. Er wehrt sich immer . Wir müssen den Kern seines Selbst erreichen, bevor er uns findet.«
    Dominiques Neugier wuchs, aber sie wusste, dass dieses Empfinden auf das Implantat in ihrem Hinterkopf zurückging. Eigentlich war ihr Rupert gleichgültig. Ihr wahres Interesse galt der Frage, wie sie sich befreien konnte, physisch und mental, um anschließend so schnell wie möglich nach Millennia zurückzukehren.
    Wieder lösten sich diese Gedanken auf oder glitten fort, und diesmal versuchte Dominique nicht, sie festzuhalten. Sie wusste, dass die Idee existierte, und dass es einen geeigneten Zeitpunkt abzuwarten galt. Eine zweite Chance bekam sie bestimmt nicht; alles musste beim ersten Mal klappen.
    Sie setzten den Weg durch den Tunnel fort, und hinter ihnen schrumpfte die memoriale Welt. Die Häuser verschwanden, und selbst der Tunnel löste sich auf, verschwand wie alles andere im grauen Nichts.
    Eine weitere Treppe brachte sie tiefer; ihre Stufen bestanden aus brüchigem Stein. Hier unten brannten keine Lampen, und eigentlich hätte es völlig dunkel sein müssen, aber Dominique sah die nahen Felswände und das Ende der Treppe trotzdem in aller Deutlichkeit.
    Sie trat von der letzten Stufe herunter und erreichte eine Art Folterkammer.
    Bei einigen der Werkzeuge, die in der Mitte des runden Raums lagen und standen, ließ sich der Zweck, dem sie dienten, auf den ersten Blick erkennen. Bei anderen entwarf die Phantasie Bilder des Schreckens.
    Acht Menschen hingen angekettet an den Wänden, schmutzig, die Haare lang und verfilzt, voller eitriger Wunden. Sie stöhnten leise, wanden sich wie in Zeitlupe hin und her. Als Dominique näher trat, stellte sie fest, dass es sich bei allen acht Personen um Rupert handelte, von einem sechs- oder siebenjährigen Jungen bis zu dem etwa dreißig Standardjahre alten Erwachsenen, der er tatsächlich war.
    Langsam ging sie an den gequälten Versionen der gleichen Person vorbei und stellte fest, dass sie nicht auf sie oder Allbur reagierten – Rupert wusste noch immer nicht, wo sie waren.
    »Warum ist er mehrfach präsent?«, fragte Dominique leise. »Und warum sind es acht?«
    »Vielleicht repräsentieren die acht Versionen verschiedene Stadien des Schmerzes.« Dorim Allbur wirkte jetzt aufgeregt. »Ich bin sicher, dass dies alles metaphorische Bedeutung hat. Wenn es uns gelingt, die Sinnbilder richtig zu interpretieren … dann finden wir vielleicht heraus, warum Rupert so sehr leidet.«
    Dominique war weitergegangen, vorbei an Streckbänken und anderen grässlichen Folterinstrumenten, und schließlich erreichte sie eine Tür, halb im Schatten verborgen. Sie war kleiner als jene, hinter der die Flammen gelodert hatten, ansonsten aber ebenso beschaffen.
    »Wir sind da«, sagte sie.
    Allbur war sofort an ihrer Seite.
    Als Dominique die Hand nach der Klinke ausstreckte, hörte sie ein neues Geräusch und drehte den Kopf. Die acht Rupert-Versionen an den Wänden stöhnten nicht mehr. Sie alle hatten die Augen aufgerissen, und ihre Blicke galten Dominique.
    »Er weiß jetzt, dass wir hier sind«, sagte Allbur besorgt.
    Dominique wandte sich wieder der Tür zu, aber etwas – jemand – stieß ihre Hand beiseite. Rupert stand dort, der Rupert, den sie reglos auf der Liege gesehen hatte, das Gesicht eine Fratze des Zorns.
    »Lasst mich in Ruhe!«, rief er. »Verschwindet hier! Wenn ihr mich stört, finden sie mich!«
    Seine Augen brannten. Flammen kamen aus ihnen …
    Etwas packte Dominique und schleuderte sie fort.
    Die fremde Stelle in ihrem Bewusstsein dehnte sich wieder aus, flüsterte und versuchte zu kontrollieren. Aber diese wenigen Sekunden – mehr Zeit konnte es nicht sein, das wusste sie – gehörten ihr.
    Dominique öffnete die Augen. Sie saß noch immer in dem Sessel mit den biotronischen Schnittstellen, und Rupert lag noch immer auf der Liege, aber er bebte jetzt heftig, als schüttelten ihn unsichtbare Hände. Seine Augen waren so weit aufgerissen wie in der imaginären Folterkammer, und die Lippen bewegten sich lautlos. Akustische Warnsignale kamen von den Geräten, und das Brummen des Hochleistungskrümmers, der jenseits des grauen Raums ein entropisches Gefälle schuf, wurde lauter. Dominique vergeudete

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