Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)
neben dem Podium standen. Ihr Mienenspiel, wenn man überhaupt davon reden konnte, verriet nichts, und im Tal-Telas herrschte bis auf ein vages Hintergrundrauschen Stille. Tamara versuchte nicht einmal, in Delm zu sondieren. Es wäre unhöflich gewesen, und dies war wohl kaum der geeignete Zeitpunkt für eine Provokation. Außerdem zweifelte sie daran, dass sie auf diese Weise etwas herausfinden konnte. Auf Millennia und anderen Welten hatte sie gelernt, die Gedankenäquivalente von Künstlichen Intelligenzen zu erfassen und zu manipulieren, doch Megatrone und Zäiden waren weitaus komplexer.
Zacharias schilderte die aktuelle Situation des Dutzends, beschrieb die Lage bei den Verlorenen Welten und erzählte von den Entdeckungen im Ophiuchus-Graben. Er schob Datenmodule in die Scanner, präsentierte den Zäiden sowohl die Ortungsdaten selbst als auch das Ergebnis ihrer Auswertungen. QR-Felder entstanden vor der Tribüne, zeigten das Konstrukt aus einundzwanzig Sonnen und die riesigen Flotten der Vitäen: Golgatha. Es folgten Zahlen und statistische Übersichten, aus denen die ökonomische und militärische Situation des Dutzends hervorging. Zacharias skizzierte die Situation in düsteren, aber sehr realen Farben. Ohne die Hilfe der Zäiden stand die Zivilisation der Menschen und ihrer Verbündeten vor dem Untergang.
Zacharias sprach fast zwei Stunden lang und machte nie den Fehler zu versuchen, seine Zuhörer mit rhetorischen Tricks zu beeindrucken. Anschließend nahm Tamara seinen Platz am Podium ein, als Vertreterin der Republik Millennia. Sie wies darauf hin, dass ihre Welt dem Dutzend bereits jede erdenkliche Hilfe leistete und bei einer Offensive der Graken ebenfalls mit Vernichtung rechnen musste.
»Die Situation erfordert, dass biologisches und maschinelles Leben zusammenarbeiten, um eine Katastrophe zu verhindern«, schloss sie ihren Vortrag. »Auch ich bitte Sie in aller Form: Helfen Sie dem Konzil der Überlebenden. Helfen Sie der Republik Millennia.«
Sie wich vom Podium zurück, blieb neben Zacharias stehen und wartete mit ihm zusammen. Gespenstische Stille herrschte im Saal. Erasmus und Zäus standen so unbewegt wie zwei Statuen, und die Zäiden auf der Tribüne blieben ebenfalls völlig reglos. Aber Tamara war sicher, dass sie miteinander kommunizierten und gewaltige Datenmengen austauschten.
Schließlich wandte sich ihnen die goldene Gestalt zu. »Wir danken Ihnen für Ihre Ausführungen«, sagte Zäus. »Wir geben Ihnen Bescheid, sobald wir eine Entscheidung getroffen haben.«
Erasmus führte sie zur Tür, und diesmal war Tamara vorbereitet. Ein kurzer, kaum wahrnehmbarer Dunst schien sich vor ihre Augen zu legen, als sie durch die Tür trat, und dann befanden sie sich wieder im Apartment mit dem großen Fenster.
»Haben Sie es bemerkt?«, fragte Tamara, als Erasmus fort war.
»Den Übergang wie bei einer Distortion?«
»Ja. Die Zäiden scheinen über Materietransmitter oder etwas in der Art zu verfügen.«
Sie sprachen noch eine Zeit lang über ihre im Saal mit der Tribüne gewonnenen Eindrücke, und dann zog sich Zacharias müde in sein Quartier zurück.
Darauf hatte Tamara gewartet. Sie suchte ihren Teil des Ruheraums auf, streckte sich aber nicht auf der Liege aus, sondern blieb mitten im kleinen Zimmer stehen und wiederholte die vorsichtige, behutsame Sondierung, die sie schon einmal durchgeführt hatte, vor fast zehn Stunden, als Erasmus sie in dieses Apartment gebracht hatte. In Iremia schuf sie einen Phantomkörper von sich selbst, nicht um Sensoren zu täuschen, die es hier gar nicht gab, sondern als Anker für einen Teil ihres Bewusstseins – sie brauchte genug lokale Wahrnehmung, um zurückzukehren, wenn ihre Anwesenheit im Ruheraum erforderlich sein sollte.
Dann verband sie sich in der sechsten Stufe des Tal-Telas mit einem anderen Ort auf Tymion, teleportierte und begann mit ihrer Mission, mehr über die Maschinenzivilisationen herauszufinden.
Der Krieg: XVI
14. Mai 1204 ÄdeF
Die Stimmen von Strategen und Planern hallten durch den großen Situationsraum, aber Nektar blieb auf das Flüstern seines bionischen Interfaces konzentriert, während er um das zentrale Projektionsfeld herumging. Es zeigte den Kernbereich der einstigen Koalition und das blau markierte Dutzend: zwölf Sonnensysteme mit einundzwanzig bewohnten Welten und neunundsechzig Ressourcenplaneten. Verbindungslinien markierten wichtige Transferschneisen. Rote Symbole markierten andere, von den
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