Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)
das Maximum – mehr Zeit hätte sie zu sehr erschöpft.
Ihre gewöhnliche visuelle Wahrnehmung war auf die Augen des Phantomkörpers beschränkt, die ein leeres Zimmer sahen. Die beiden ersten Stufen des Tal-Telas, Alma und Berm, vermittelten ihr einen Eindruck von der allgemeinen physischen Beschaffenheit des Planeten, und Iremia versetzte sie in die Lage, die energetischen Strukturen zu erkennen, zu sehen, wo die Zäiden besondere Aktivität entfalteten. Ihr mnemisches Gewebe nahm alles auf – es würde alle Informationen speichern, bis es die Grenzen seiner Kapazität erreichte. Anschließend würde es werten und bewerten, Daten komprimieren oder ganz löschen, wenn sie als unwichtig eingestuft werden sollten. Doch bis dahin dauerte es noch eine Weile; zunächst war alles wichtig.
Der Nordpol des Planeten war zweifellos interessant. Tausende von Signalströmen, dicke Bündel in Iremia, trafen sich dort in einem ausgedehnten Kommunikationskomplex, der die Tymionen offenbar mit ihren extraplanetaren Niederlassungen und über Transverbindungen – wenn es wirklich Transverbindungen waren – mit den Welten, Stationen und Raumschiffen der anderen Maschinenzivilisationen verband. Es wäre sicher interessant gewesen, den dortigen Datenströmen zu lauschen, doch derzeit sah Tamara keine konkrete Möglichkeit dazu. Selbst wenn es ihr irgendwie gelungen wäre, die zahlreichen Informationskanäle anzuzapfen – sie hätte überhaupt nicht verstanden, worüber die Emm-Zetts sprachen.
Erste Anzeichen von Erschöpfung wiesen Tamara darauf hin, dass sie besser nach einem geeigneten Ort für die Rematerialisierung Ausschau halten sollte. Sie wählte eine der vielen Industrieanlagen, und dort eine Stelle abseits der Hauptsignalströme. Vorsichtig änderte sie die Ausrichtung von Fomion, gab dann dem Zerren des Fadens nach und gewann wieder feste Substanz, an einem heißen, lebensfeindlichen Ort. Die hohe Temperatur von etwa sechzig Grad und die giftigen Gase konnten ihr nichts anhaben, solange sie aufmerksam blieb, in Iremia kontinuierlich Einfluss auf die Materie in der unmittelbaren Umgebung nahm und sie ihren Erfordernissen anpasste. In gewisser Weise leistete sie mit dem Tal-Telas etwas, das die Zäiden mit ihren adaptiven Partikeln machten: Sie veränderte Beschaffenheit und Eigenschaften von Materie, sodass sie atmen und die Hitze kontrollieren konnte.
Tamara stand unweit des Äquators von Tymion auf einer kleinen Anhöhe und beobachtete, wie sich ein gewaltiges, mehrere Kilometer langes Aggregat erstaunlich schnell in den felsigen Boden grub. Staub wirbelte auf, aber er schien nützliches Basismaterial zu enthalten, denn segelartige Vorrichtungen fingen ihn ein. Die donnernden, stampfenden Geräusche erreichten Tamara durch einen ebenfalls im Tal-Telas geschaffenen Dämpfungsfilter; andernfalls hätte ihr der Lärm die Trommelfelle zerrissen.
Die ersten Sekunden verbrachte Tamara damit, das eigene Bewusstsein zu stabilisieren, sich an die doppelte Wahrnehmung zu gewöhnen und die unterschiedlichen Sinneseindrücke voneinander zu trennen – es genügte, den Augen und Ohren des Phantomkörpers nur einen kleinen Teil ihrer Aufmerksamkeit zu schenken. Die Erschöpfung verschwand langsamer als erwartet, und Tamara begann mit den erlernten mentalen Routinen, während sich der Koloss aus beliebig rekonfigurierbaren Metallstrukturen und Systemen in den Planeten fraß, den Boden unter ihren Füßen erzittern ließ. Ohne die Notwendigkeit, in Fomion zu bleiben, konnte sie ihre Gedanken in Berm und Delm auf die Reise schicken. Sie suchte an Hunderten von Orten gleichzeitig, überall auf Tymion, mied dabei die zentralen Signalströme und alle Stellen, an denen sie Sensoren vermutete.
Es war noch keine Minute verstrichen, als es zu ersten Kontakten mit den Selbstsphären wahrer Personen kam: organisches Leben mit Schatten im Tal-Telas, Individuen, Menschen. Leute, die beschlossen hatten, den Maschinenzivilisationen zu helfen wie der Nubbio Jora. Andere hatten bei ihnen Zuflucht gesucht und erhofften sich von den Zäiden und ihrer überlegenen Technik Schutz vor den Graken. Auf diese Weise bekommen die Emm-Zetts alle Informationen, die sie wollen , dachte Tamara. Wir hingegen wissen so gut wie nichts.
Für die Menschen hatten die Zäiden angemessene ambientale Verhältnisse geschaffen, und einer von Tamaras Plänen sah vor, von dort aus zu versuchen, Informationen zu gewinnen. In jenen Habitaten gab es zweifellos für die
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