Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)
warf Tamara einen Blick zu, der so viel sagte wie: Dies ist Ihre große Chance. Sie können alles wiedergutmachen.
»Gibt es einen Zusammenhang mit dem Grakenkrieg?«, fragte Tamara. »Vielleicht wollen die Fremden aus der Zukunft verhindern, dass die Maschinenzivilisationen das Dutzend und Millennia gegen die Graken unterstützen.«
Erasmus wandte sich ihr zu. »Bisher sind nur die Tymionen betroffen, nicht aber die dreizehn anderen Maschinenzivilisationen. Unsere Analysen lassen den Schluss zu, dass es die Fremden hauptsächlich auf Sie abgesehen haben.«
»Auf mich?«, fragte Tamara verwundert.
Erasmus trat durch die Öffnung in einen Raum, der zum größten Teil im Dunkeln lag. Die halb in der Finsternis verborgenen Wände bewegten sich so, als bestünden sie aus Tausenden von Käfern, und Tamara fühlte sich an die Körper von Segmentern erinnert. Doch ihre Aufmerksamkeit galt vor allem dem Fremden in der Mitte des Raums, festgehalten von einem Fesselfeld. Aufrecht stand er da, in einer Lichtsäule, die bunte Reflexe über seinen Tarnanzug huschen ließ. Die Wunden in seinem Leib, die an Bord der Taifun viel schwarzes Blut verloren hatten, waren geschlossen. Das lange, quecksilberartige Haar bewegte sich nicht, wohl aber die kobaltblauen Augen: Ihr Blick folgte Erasmus, Tamara, Zacharias und Hokonna, als sie durch den Raum schritten und sich langsam näherten. Tamara bemerkte die offenen Taschen und den fehlenden Gürtel. Sie wollte eine entsprechende Frage an Erasmus richten, doch der Zäide kam ihr zuvor.
»Wir untersuchen die Ausrüstung des Fremden«, sagte er. »Sie besteht teilweise aus sehr interessanter Technik.«
»Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns detaillierte Berichte der Untersuchungen zur Verfügung stellen könnten«, erwiderte Tamara. »Sie haben keine Exklusivrechte an dieser Technik.«
»Ich hätte es etwas freundlicher formuliert, bin aber der gleichen Meinung«, sagte Zacharias.
Erasmus vollführte eine zustimmende Geste. »Wir sind einverstanden. Sie bekommen die gewünschten Berichte.«
Tamara trat noch etwas näher an den Fremden heran und fühlte seinen Blick: ruhig, sondierend, abwartend. Hinter den Augen fanden Denkprozesse statt, deren Geschwindigkeit und Struktur etwas Maschinenhaftes hatten. Ihre Präsenz war jetzt ganz deutlich; das Bewusstsein des Fremden verbarg sich tatsächlich nicht mehr hinter einer undurchdringlichen Barriere.
Die Tal-Telassi sah drei Stränge, die vom Fremden zu den Wänden führten und ihn mit dem Schiff verbanden. Das ganze gewaltige Elaborations- und Adaptationspotenzial eines Zäidenschiffes – kein Wunder, dass es dem Fremden nicht gelungen war, die Abschirmung seines Selbst aufrechtzuerhalten. Aber zu einer Bewusstseinssondierung waren die Zäiden ganz offensichtlich nicht in der Lage. Wer keine Seele hat, kann eine Seele nicht untersuchen , dachte Tamara mit einer gewissen Genugtuung.
»Wir haben den Genotyp dieses Individuums analysiert«, sagte Erasmus leise, wie um die Stille nicht zu stören. »Was die biologischen Komponenten betrifft, stimmt die genetische Struktur des Fremden zu 98,9461 Prozent mit der heute lebender Menschen überein.«
»Biologische Komponenten …?«, wiederholte Zacharias.
»Der Mann im Fesselfeld ähnelt Lanze Hokonna mehr als einem gewöhnlichen Menschen«, sagte Erasmus. »Aber wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten, Lanze: Er ist um ein Vielfaches leistungsfähiger. Kortikalis und Kompakta sind mit synthetischem Material verstärkt, was die Knochen sehr bruchfest macht. Die Spongiosa enthält Metall- und Polymerfäden, und in der Knochenmarkhöhle befindet sich eine bionische Nährflüssigkeit auf der Basis halbsynthetischer Moleküle. Die Augen bestehen aus mehreren Linsen mit variabler Brennweite, können als Mikroskop und als Teleskop dienen. Superempfindliche Mikrofonzellen ersetzen das Trommelfell. Im Nasenraum sind spezielle Sensoren mit den olfaktorischen Nerven und einem entsprechenden Polymer-Datenbus verbunden, der wie zahlreiche andere Datenkanäle dieser Art direkt mit Nervensystem und Hirn verbunden ist. Die Wahrnehmungssensibilität lässt sich offenbar beliebig verringern oder erhöhen, und das gilt auch für den Stoffwechsel. Der organische Magen ist um einen anorganischen erweitert, der wie ein kleiner Reaktor funktioniert und Energie praktisch aus jeder beliebigen Materie gewinnen kann. Das hat große Bedeutung insbesondere für die Leistungsfähigkeit des für einen hohen
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