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Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Titel: Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Stoffwechsel optimierten Muskelgewebes.«
    Erasmus ging langsam um den Fremden herum. Tamara fragte sich, ob die Gestalt in der Lichtsäule seine Worte hörte und verstand.
    »Das Hirn enthält zweiundzwanzig Prozessorkerne, die mit den Polymer-Datenkanälen verbunden sind«, fuhr der Zäide fort. »Sie ermöglichen nicht nur eine bewusste Steuerung fast aller Körperfunktionen, sondern auch paralleles Denken. Diese Lebensform ist eine perfekte Synthese von Organischem und Anorganischem. Das Organische wird hier nicht zum Sklaven des Anorganischen, wie es bei den Crotha der Fall war. Es bleibt vielmehr dominanter Teil des neuen dualen Organismus und nutzt die anorganischen Komponenten für die eigene Optimierung.«
    Tamara beobachtete, wie Hokonna den Fremden mit seinen fast normal wirkenden Augen musterte. Was sah der alte Offizier, der zum größten Teil aus Stahlkeramik und integrierten Servi bestand, in einem solchen Wesen? Einen Gestalt gewordenen Traum? Auf der einen Seite Vollkommenheit und Perfektion, auf der anderen ein mitleiderweckendes menschliches Wrack …
    »Aber wie konnte es dazu kommen?«, fragte Zacharias. »Oder wie wird es dazu kommen? Menschen sind der eine Faktor, wie aus Ihren genetischen Analysen hervorgeht. Woher kommt die Technik, die sie irgendwann in der Zukunft in solche Wesen verwandelt?«
    Irgendwo tief in Tamara, mitten in ihren subliminalen Erinnerungen, öffnete sich ein kleines Fenster oder vielleicht eine Tür. »Und wieso haben es diese … Maschinenmenschen auf uns abgesehen?«, fügte sie hinzu und wusste, wo die Antwort lag: im Bewusstsein des Fremden.
    Ein kurzes Wogen ging durch die Wände, die Distortion eines weiteren Überlichtsprungs.
    Erasmus blieb vor dem Fremden stehen. »Ehrenwerte?«
    Tamara nickte. »Ich versuche es.« Sie trat zur Lichtsäule und verharrte nur einen Meter vor dem im Fesselfeld gefangenen Mann. Ihr eigenes Ich verfügte über eine permanente Abschirmung – es gehörte zu den ersten Dingen, die die junge und sehr begabte Schülerin namens Tamara vor fast tausendachthundert Jahren gelernt hatte. Sie verstärkte diese Barriere und duckte sich dahinter, bevor sie sich vorsichtig mit Delm verband und einen Gedanken zum Fremden schickte.
    Sie wusste nicht, wie es die Zäiden angestellt hatten, aber das Bewusstsein des Mannes aus der Zukunft war tatsächlich nicht mehr geschützt. So vorsichtig Tamara auch war: Fast sofort spürte er ihre mentale Präsenz und versuchte, die fehlenden Mauern durch neue zu ersetzen. Stimmen wehten der Tal-Telassi entgegen, nicht eine, sondern viele, jede von ihnen wie ein eigenes Ich – die von Erasmus erwähnten parallelen Denkvorgänge. Tamara lauschte ihnen einige Sekunden lang, filterte sie dann aber aus ihrer Wahrnehmung in Delm. Der Versuch, ihnen Informationen zu entnehmen, musste vergeblich bleiben, denn das multiple Denken des Fremden verwendete Symbole, deren Bedeutung sie nicht kannte. Genauso gut hätte sie versuchen können, dem Elektronensummen eines Trons zu lauschen und »Worte« darin zu hören. Was sie zu der Frage führte, ob dieser Maschinenmann wirklich eine Seele hatte, die ergründet werden konnte. Tamara sah genauer ins Tal-Telas und stellte fest, dass der Fremde dort einen Schatten warf – er war also echtes Leben, trotz seiner Synthese mit dem Anorganischen.
    Behutsam erweiterte sie ihr Selbst, wich den defensiven Gedankenströmen aus und kroch tiefer ins Bewusstsein des Mannes aus der Zukunft. Sie verband sich auch mit den anderen Stufen des Tal-Telas, denn in diesem Fall musste sie sämtliche Erkenntnismöglichkeiten dieser Kraft nutzen. Mit kopierten Gedankenfragmenten tarnte sie ihre Präsenz, gab vor, Teil des mentalen Ambiente zu sein. In welche Richtung sie sich auch wandte: Überall erstreckten sich tiefe, überaus komplexe Labyrinthe, in denen sie sich verirren konnte, wenn sie nicht aufpasste, ganze Welten, bestehend aus Erinnerungen, aus halb gedachten Gedanken, Schatten von Träumen und vagen Hoffnungen. Tamara sah sich um und begriff: Dies war wie die Suche nach einem einzelnen Buch in einer analogen Bibliothek, die aus Millionen von Büchern bestand und keinen Katalog hatte. Um Antworten auf ihre Fragen zu finden, musste sie ihre passive Rolle aufgeben und die Kontrolle übernehmen. Sie musste das Ich des Fremden ihrem Willen unterwerfen, und so etwas war nie leicht.
    Tamara blieb allen Stufen des Tal-Telas gegenüber offen, konzentrierte sich aber vor allem auf Hilmia und Iremia.

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