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Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Titel: Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Die achte Stufe erlaubte ihr überlegene Bewusstseinskontrolle, und mit der neunten konnte sie physische und energetische Strukturen verändern. Iremia machte es möglich, sowohl die Prozessorkerne im Gehirn als auch die Datenkanäle zu isolieren – dann wurde aus der bunten Parallelität des fremden Denkens ein monochromatischer mentaler Kosmos. Sie ließ sich noch etwas tiefer in das überaus komplexe fremde Selbst treiben, versteckt hinter vagen Erinnerungsbildern, die viele Gedanken begleiteten. Als sie sich an einer geeigneten Stelle glaubte, verließ sie ihr Versteck, gab sich ganz offen zu erkennen und schlug zu. Besser gesagt: Sie wollte zuschlagen, aber überrascht stellte sie fest, dass der Mann aus der Zukunft auf sie gewartet hatte.
    Für einige wenige Sekunden sah Tamara wieder mit den Augen ihres Körpers, nicht mit denen des Geistes, und sie beobachtete, dass sich das Gesicht des Fremden verändert hatte. Es zeigte jene Art von kalter Determination, die sie selbst manchmal spürte, wenn sie vor besonders schweren Aufgaben stand. Das Irisblau schien intensiver geworden zu sein, und für einen Moment fragte sich die Tal-Telassi, wie er sie jetzt sah, welches Bild ihm die Linsen seiner Augen übermittelten. Dann kehrte sie in die Innenwelt zurück, in den Griff von starken mentalen Händen, die den Ausläufer ihres Bewusstseins festhielten und immer mehr Druck ausübten. Das war so erstaunlich, dass Tamara zuerst gar nicht versuchte, sich zu wehren. Der Fremde verfügte nicht über eine Verbindung zum Tal-Telas und blockierte sie allein mit der Kraft, die er selbst generierte – so etwas erforderte enorme geistige Disziplin. Vielleicht halfen ihm die zweiundzwanzig Prozessoren dabei, und auch die besondere Strukturierung des Bewusstseins. Echtes Leben, ja. Leben, das im Tal-Telas einen Schatten warf. Aber die Denkmuster wiesen Ähnlichkeit mit denen von Megatronen auf. Zwar wurden sie nicht von Algorithmen bestimmt, doch sie waren viel geordneter als bei gewöhnlichen Personen. Es existierten emotionale Komponenten, aber selbst sie wirkten diszipliniert, gegliedert, segmentiert, nach Funktionalität sortiert.
    All diese Gedanken beanspruchten nicht mehr als ein oder zwei Sekunden, und dann stemmte sich Tamara den mentalen Händen entgegen, die sie gepackt hatten, nicht zwei, sondern viele. Als sie mit Crama kaum etwas ausrichtete, veränderte sie in Iremia die Beschaffenheit der Hände und verwandelte simulierte und gefühlte Festigkeit in etwas Weiches, das nicht genug Konsistenz hatte, um sie festzuhalten. Gleichzeitig verfolgte sie sie zu ihrem physischen Ursprung zurück und veränderte das elektrische Potenzial der Neuronen. Die Hände verschwanden, und als sich Tamara bewegte, hatte sie plötzlich den irrationalen Wunsch, sich und den Fremden zu teleportieren, aus dem Fesselfeld heraus, in einen anderen Raum des Schiffes, wo sie ungestört sein konnten …
    Wieder ganz in ihrem Körper wankte Tamara einige Schritte von der Lichtsäule fort und schnappte nach Luft. Zacharias trat besorgt zu ihr und stützte sie. Es bestand noch immer eine direkte Verbindung zum Tal-Telas, und der Kontakt mit ihm öffnete ihr sein Bewusstsein. Sie sah das Chaos, das der undisziplinierte, von wild wuchernden Emotionen beladene Geist des Menschen war. Und sie sah noch etwas anderes.
    »Sie haben es ebenfalls versucht«, hauchte sie, gerade laut genug, dass er die Worte hörte. »Sie haben ebenfalls versucht, an Informationen zu gelangen. Die spezielle Ausrüstung an Bord der Taifun … Die Emm-Zetts werden sie finden.«
    Zacharias' Mund blieb geschlossen. Er richtete einen stummen Blick auf Tamara, begleitet von Gedanken. Wir sind in jedem Fall in einer sehr schwierigen Situation. Bitte geben Sie sich alle Mühe bei Ihren Sondierungsversuchen.
    Tamara erholte sich von der doppelten Überraschung und kehrte zur leise summenden Lichtsäule zurück. Der kobaltblaue Blick des Fremden hatte sie nicht eine Sekunde verlassen.
    Sie bemerkte die Frage in Erasmus' silbernem Gesicht.
    »Er hätte mich fast dazu gebracht, zusammen mit ihm zu teleportieren«, sagte Tamara, aber sie hörte die Worte, als kämen sie von jemand anders, denn in diesem Augenblick bemerkte sie noch etwas: ihre eigene Dummheit. Wie töricht von ihr, derartige Worte an Zacharias zu richten! Selbst wenn Erasmus sie nicht gehört hatte: Sie befanden sich an Bord eines zäidischen Schiffes, wo die Wände lauschten. Lag es an der Überraschung, auf einen

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