Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Titel: Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
violetten Fingerspitzen, und kleine Elmsfeuer tanzten auf ihrer Handfläche. Größere Leuchterscheinungen begannen ein Ballett in und über der Stadt. Dominique hob den Kopf, staunte über die Farbenpracht und die komplexe Choreographie des Tanzes, und sah darüber einen Himmel aus Augen, den sie schon einmal gesehen hatte. Sie fragte sich, was dies bedeutete, und wie der Himmel wirklich beschaffen war: Das Bild in ihrem Bewusstsein wurde von einem Gehirn geschaffen, das an bestimmte Wahrnehmungsstrukturen gewöhnt war und fremden Objekten automatisch vertraute Formen gab. In einer völlig fremdartigen Umgebung, wie hier in der höheren Dimension der Prävalenz, wurde ein Mensch ohne sensorische Hilfen Opfer der eigenen Wahrnehmung und konnte kaum hoffen, die Realität tatsächlich zu erkennen. In gewisser Weise übersetzte das Gehirn die einzelnen Wahrnehmungen in Metaphern und Allegorien, von denen es glaubte, dass sie eine zumindest vage Entsprechung in der Wirklichkeit hatten.
    Während sich das Möbiusband bewegte und ihnen die Stadt entgegentrug, bekam Dominique Gelegenheit, in viele der Gebäude zu blicken. Ihr Inneres ergab kaum einen Sinn für sie, denn es fehlten Räume im eigentlichen Sinn. Stattdessen sah sie sonderbare geometrische Figuren, die ähnlich in sich selbst verschränkt waren wie das Möbiusband. Als sie ein Gefühl für die Formen bekam, erkannte Dominique die selbstähnliche Basisstruktur der Endlosen Stadt: Große Strukturen bestanden aus zahllosen kleineren, ähnlich beschaffenen. Mehrmals glaubte Dominique, im Aufbau der Gebäude weitere Möbiusschleifen zu erkennen, manchmal auch Klein'sche Flaschen beziehungsweise ihre dreidimensionalen, sich selbst durchdringenden Elemente. Lag der gesamten Endlosen Stadt – und vielleicht der ganzen Prävalenz – so etwas wie eine ins Dreidimensionale erhobene differenzierbare Mannigfaltigkeit zugrunde, die nicht orientierbar war? Und was sagte diese mathematische Beschreibung über die Bewohner der Prävalenz aus?
    »Wo sind die Prävalenten?«, fragte Dominique. »Die Gebäude sind leer. Bisher habe ich noch keinen einzigen Bewohner der Stadt gesehen.«
    »Du hörst ihre Stimmen«, sagte ihr Vater. »Und du siehst sie die ganze Zeit über.«
    Dominique wollte ihn erstaunt fragen, was er damit meinte, aber plötzlich bemerkte sie voraus etwas, das nicht Teil der Stadt war. Ihr Vater sah es ebenfalls und sagte: »Halt!«
    Die Klänge um sie herum veränderten sich ein wenig, als das Möbiusband anhielt und die Bewegungen der Gebäude aufhörten. Es gab keine Straßen oder Plätze zwischen ihnen, bemerkte Dominique. Sie gingen direkt ineinander über, ohne irgendwelche Zwischenräume, und in einem von ihnen, einem mehrere Stockwerke hohen Zylinder, lagen die zerschmetterten Körper mehrerer Kantaki. Dominique näherte sich ihnen und trat durch eine Wand, die sich für sie öffnete und hinter ihrem Vater wieder schloss.
    »Die von Vater Mru erwähnten Kantaki …«, sagte sie und ging langsam um die Leichen herum. Als sie ein gesplittertes Glied berührte, fühlte sie nur kalte Leblosigkeit. »Ob es alle sind?«
    Dominik blickte wieder auf das Display seines Geräts. »Nein, es sind nicht alle. Einer lebt noch und hat den Kranken fast erreicht. Wir müssen sofort weiter!«
    Dominique blieb neben ihrem Vater stehen und ergriff seine Hand – der physische Kontakt erleichterte den psychischen. Als sie sich erneut mit Elmeth und Fomion zu verbinden versuchte, geriet nicht die Stadt in Bewegung, sondern der Käfer in ihrem Selbst. Der fremde Einfluss hatte so lange geruht, dass Dominique ihn bereits vergessen hatte. Aber ob sie daran dachte oder nicht: Die Replikation der Mikromaschinen in ihr dauerte an – es waren bereits Hunderttausende, und es wurden immer mehr. Vielleicht ging ein Teil ihres Schwächegefühls darauf zurück, denn die unaufhaltsame Vermehrung der Kommandoprozessoren verbrauchte Nährstoffe, die Muskeln und Organen fehlten.
    Über eine rampenartige schiefe Fläche unter dem Gebäude traten humanoide Gestalten mit wogendem silbernem Haar und kobaltblauen Augen. Eine von ihnen hielt etwas in den Händen, ein Instrument, das Gehorsam von Dominique verlangte.
    »Bringt uns zu ihm«, sagte der Dominante. »Bringt uns zum Kranken.«

 
Der Krieg: XXIV
     
    29. März 1229 ÄdeF
     
     
    Diesmal sah Nektar Farben an einem Ort, der bisher grau für ihn gewesen war.
    Tausende von Blumen blühten im Park westlich von Hiratara und verliehen ihm

Weitere Kostenlose Bücher