Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)
Fremden, hielt den Variator aber bereit, nur für den Fall.
»Wir brauchen einen Stasisgenerator und eine multifunktionelle medizinische Behandlungseinheit«, sagte Tamara. Sie ging einige Schritte und hob den kleinen Konus auf, ohne dabei ihren Blick von dem Fremden abzuwenden. Er beobachtete sie ebenfalls, aus Augen mit einer kobaltblauen Iris.
»Bitte helfen Sie mir, Adrian.« Zacharias wandte sich dem Eingang zu.
Hokonna zögerte kurz – lange genug, um einen Blick mit der Tal-Telassi zu wechseln – und folgte dem Impro dann in den Gang. Tamara blieb allein mit dem Fremden zurück. Sie hörte, wie sich ihre Schritte entfernten, betrachtete kurz das konusförmige Objekt, sah dann wieder auf und in die Augen des Fremden.
»Können Sie mich verstehen?«, fragte sie und schaltete den kleinen Linguator ein, den sie am Hals trug. »Wer sind Sie?«
Der Humanoide knurrte etwas, und Tamara wartete vergeblich auf eine Übersetzung. »Interessant«, murmelte sie.
Der Linguator verfügte über eine Datenbibliothek aus Tausenden von Sprachen und Dialekten, aber mit den Lauten, die der Fremde gerade von sich gegeben hatte, konnte er nichts anfangen.
Sie trat etwas näher an den Fremden heran, den Konus dabei wie beiläufig auf ihn gerichtet. Er rührte sich nicht mehr, und sein Blick wanderte mehrmals zwischen der Waffe und Tamaras Gesicht hin und her. Dann formten seine Lippen ein Lächeln, und die rechte Hand tastete ganz langsam nach einem etwa fünfzehn Zentimeter langen nadelförmigen Objekt an seinem Gürtel.
»Das sollten Sie besser lassen«, sagte Tamara und zeigte demonstrativ mit dem Konus auf ihn.
Wieder kamen einige unverständliche Knurrlaute von dem Fremden, und das Lächeln wuchs in die Breite. Tamara stellte fest, dass seine Kleidung – eine Art Overall, der aus vielen bunten Streiften bestand – im Bereich des Unterleibs aufgerissen war. Die Wunde selbst konnte sie nicht sehen, aber der Humanoide verlor noch immer schwarzes Blut. Wenn er Schmerzen hatte, zeigte sich in seinem Gesicht nichts davon.
Tamaras Sinne waren angespannt und in ständiger Verbindung mit den verschiedenen Stufen des Tal-Telas. Für eine Sekunde, nicht länger, bedauerte sie, dass Zacharias und Hokonna den Raum verlassen hatten, denn noch deutlicher als zuvor spürte sie, dass der Fremde Gefahr bedeutete. Eine Gefahr, die über ihn selbst hinausging – das zeigten die Muster in Gelmr.
Andere Muster in der siebten Stufe des Tal-Telas hatten sie zuvor veranlasst, Hokonna daran zu hindern, auf den Fremden zu schießen. Außerdem hatte Tamara während der multiplen Splitterung ihres Bewusstseins bei der Vorbereitung auf diesen Einsatz bestimmte Daten aufgenommen. Eigentlich waren es nur einige kleine Informationen, die Sektion 1 den vielen anderen hinzugefügt hatte, weil vielleicht die Möglichkeit bestand, dass Tamara bei den Maschinenzivilisationen oder anderen Welten, die sie im Verlauf ihrer Mission besuchte, auf relevante Hinweise stieß. Das mnemische Gewebe in ihrem Körper verarbeitete sie und verwandelte sie in Pseudoerinnerungen. Vor dem inneren Auge sah sie das Eis eines Planeten namens Deville, der zur Zeit der AFW zu den peripheren Welten gezählt und damals eine kleine Kolonie der Tal-Telassi beherbergt hatte. Vor mehr als hundert Jahren war bei der Erforschung jenes Planeten eine Gestalt im Eis entdeckt worden, seit fünfzigtausend Jahren tot, aber perfekt konserviert: ein Humanoide, ein Wesen wie ein Mensch. Kurze Zeit später hatte der damalige Hegemon Tubond Millennia unter die Verwaltung der AFW-Streitkräfte gestellt, und die kleine Kolonie auf Deville war aufgegeben worden.
Die Bilder überlagerten sich, als der vor Tamara auf dem Boden liegende Fremde nach dem Nadelobjekt an seinem Gürtel griff: hier das Jetzt, die langsame Hand und das seltsame Lächeln in dem Gesicht, und dort das Eis mit der Gestalt darin, die Augen geöffnet und die kobaltblaue Iris deutlich zu sehen. Tamara wusste nicht, was damals, als die Kolonie aufgegeben werden musste, mit dem toten Humanoiden geschehen war. Vor fünfzigtausend Jahren war ein solches Geschöpf gestorben und von Eis umschlossen worden, zu einer Zeit, als es nur auf der Erde Menschen gegeben hatte, primitiv und ohne Technik. Und jetzt war ein solcher Humanoide an Bord der Taifun erschienen, während ihres überlichtschnellen Flugs durch eine Transferschneise. So gefährlich er auch sein mochte: Allein seine Präsenz warf viele Fragen auf. Und die Antworten –
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