Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
machen soll, so wie bei Boxern persönliche Songs erklingen, wenn sie vor einem Kampf in die Halle kommen. Von Leuten, die Angela Merkel nicht mögen, wird »Angie« aber auch bewusst respektlos verwendet, das klingt dann nach »Mädchen«.
Autorisieren Zeitungsinterviews mit Politikern werden »autorisiert«, bevor sie veröffentlicht werden. Während des Gesprächs lässt der fragende Journalist ein Aufnahmegerät mitlaufen, danach setzt er sich hin und verschriftet das, wobei natürlich auch vieles gekürzt wird, damit der Artikel nicht uferlos lang wird oder sich schlecht liest, weil es zahlreiche »Ähs« und »Öhs« gibt, Wiederholungen und nicht zu Ende geführte Sätze, wie das eben so ist in mündlichen Gesprächen. Der Politiker beziehungsweise sein Pressesprecher bekommt diese Schriftform dann zugeschickt, um sie zu autorisieren. Eigentlich heißt das: sie abzusegnen ( » Ja, das habe ich wirklich so gesagt « ), was dann auch eine Absicherung für den Journalisten ist. Schließlich kann es bei der Niederschrift auch zu Missverständnissen kommen, oder der Journalist hat Antworten sinnentstellend gekürzt. Dagegen soll sich der Politiker noch wehren können, bevor das Interview an die Öffentlichkeit geht. Er kann während des mündlichen Gesprächs auch freier reden, wenn er weiß, dass es noch die Möglichkeit zur Korrektur gibt. Leider hat diese durchaus sinnvolle Praxis dazu geführt, dass viele Interviews von den Politikern und ihren Büros regelrecht umgeschrieben werden, bis sie mit dem ursprünglichen Gespräch kaum noch etwas zu tun haben, sondern glatt und langweilig geworden sind.
Basis-Arbeit So nennen Politiker es, wenn sie sich mit einfachen Parteimitgliedern treffen, zum Beispiel im Ortsverein oder Ortsverband ihrer Partei in ihrem Wahlkreis. Das ist die kleinste, unterste Organisationseinheit einer Partei. Die Politiker versuchen dort »unten« die Basis von den Entscheidungen »oben« in Berlin zu überzeugen und zugleich herauszufinden, was »die Basis« gut findet und was nicht. Schließlich müssen die »unten« später bei Parteitagen zustimmen, wenn wichtige Beschlüsse gefasst werden. Also muss man als hoher Politiker die Stimmung kennen und, wenn nötig, beeinflussen.
BPK Abkürzung für Bundespressekonferenz. Das ist sozusagen der Verein, in dem alle Berliner Parlamentskorrespondenten Mitglied sind. Sie haben sich auch deshalb zusammengeschlossen, um gegenüber der Politik stärker zu sein. So lädt die BPK auch Politiker zu Pressekonferenzen ein – und dann darf nicht der Politiker entscheiden, welche Fragen er beantwortet, sondern die Journalisten führen bei diesen Konferenzen Regie. »Das hat den Vorteil, dass kein Frager benachteiligt wird, dass nach Reihenfolge der Meldung aufgerufen wird, dass die Pressekonferenzen erst zu Ende sind, wenn die letzte Frage gestellt ist, dass kritische und unbequeme Fragen gestellt werden können und beantwortet werden müssen«, erklärte Werner Gößling, acht Jahre lang Vorsitzender der Bundespressekonferenz. Umgekehrt halten sich aber auch die Journalisten in der BPK an gewisse Benimmregeln, und nicht jeder darf einfach so Mitglied werden. Den Konferenzraum der BPK sieht man übrigens oft im Fernsehen, wenn davon die Rede ist, dass ein Politiker »vor die Berliner Presse getreten ist«: Dort sitzen die Berliner Journalisten und schreiben eifrig in ihre Notizbücher, während vorne an einem breiten Tisch der Politiker sitzt und davor die Fotografen. Die Bundespressekonferenz veranstaltet übrigens auch den berühmten Bundespresseball, bei dem einmal im Jahr Politiker und Journalisten miteinander tanzen und feiern und tratschen, ohne dass am nächsten Tag gleich alles in der Zeitung steht. So ein Betriebsausflug muss halt auch mal sein …
Büchsenspanner In früheren Jahrhunderten nannte man Gewehre »Büchsen«. Sie mussten vorbereitet (gespannt) werden, bevor man damit schießen konnte. Das haben bei der Jagd die Jagdburschen für die adligen hohen Herren erledigt. Auf die Politik bezogen bedeutet diese Bezeichnung, dass Parteichefs es anderen überlassen, Informationen gezielt zu streuen oder Gegner scharf zu beschießen, während sie sich selbst scheinbar vornehm zurückhalten. Der Gegner kann übrigens auch aus der eigenen Partei stammen. Die Büchsenspanner zielen vor allem auf die Medien, in denen sie ihre Sicht der Dinge unterbringen möchten. Gerne auch aus dem Hinterhalt, indem sie zum Beispiel heimlich Gerüchte streuen
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