Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
durchzusetzen. Deshalb gibt es auch nur selten erfolgreiche Quereinsteiger oder parteilose Minister.
Hinterbänkler Das sind Abgeordnete, die im Bundestag in den hinteren Reihen sitzen, auf einfacheren Stühlen, ohne eigene Tische. Offiziell herrscht im Bundestag zwar freie Platzwahl, aber in den vorderen, komfortableren Reihen sitzen die wichtigen Parteipolitiker, zum Beispiel die Fraktionschefs. Die sind bei Debatten im Fernsehen zu sehen. Die Hinterbänkler sieht man kaum. Sie sind der Öffentlichkeit eher unbekannt und in der Partei vergleichsweise unwichtig. Doch Vorsicht! Hinterbänkler können sehr unangenehm werden, wenn sie um ihren Sitz im Parlament fürchten, weil die Politik der ranghöheren Politiker nicht erfolgreich ist. Dann setzen sie ihre Parteichefs unter Druck, verweigern sich bei Abstimmungen und Ähnliches. Manchmal sind sie auch so unglücklich mit ihrem Unbekanntsein, dass sie irgendwelche komischen Sachen sagen, nur um von den Medien beachtet zu werden. Das kann peinlich für alle werden. Zum Beispiel schlug mal jemand vor, Mallorca zu kaufen und zum siebzehnten deutschen Bundesland zu erklären. Die Journalisten amüsieren sich und drucken es, die Leser lesen es und amüsieren sich, und vielleicht merken sie sich dabei ja sogar den Namen des Politikers, der das gefordert hat. (Es war der CSU -Politiker Dionys Jobst im Jahr 1993.) Oder auch nicht.
Hintergrund Wenn ein Parlamentskorrespondent sagt: »Ich hab heut Abend einen Hintergrund«, dann meint er damit nicht seine Wohnzimmertapete, sondern ein vertrauliches Treffen mit Kollegen. Politische Journalisten tun sich zusammen und gründen sogenannte Hintergrundkreise. Sie treffen sich regelmäßig und laden zu ihren Treffen Politiker ein. Man verspricht sich gegenseitig, dass alles, was in diesem Kreis besprochen wird, vertraulich bleibt, also nicht in der Zeitung erscheint oder im Fernsehen erzählt wird. Der Politiker kann dann viel offener reden und Sachen sagen, die er sonst nicht sagen würde. Um diese Kreise wird immer eine ziemliche Geheimniskrämerei gemacht, und sie haben ulkige Namen, zum Beispiel »U 30« (weil die Mitglieder bei der Gründung des Kreises noch alle unter 30 Jahren waren) oder »Wohnzimmer« (weil die Treffen immer in den privaten Wohnzimmern der Mitglieder stattfinden, was ungewöhnlich ist). Die meisten Kreise tagen möglichst unbeobachtet in Hinterzimmern von Kneipen. Früher in Bonn hat das mit den Vertraulichkeiten zwischen Politikern und Journalisten sehr gut geklappt, da wurde in den »Hintergründen« tatsächlich ausgepackt und Brisantes erzählt. Die Journalisten wussten dann unheimlich viel, durften es aber nicht schreiben. In Berlin hat sich das geändert. In den »Hintergründen« wird nicht mehr so viel »Geheimes« erzählt, und so haben sie für die journalistische Arbeit etwas an Bedeutung verloren.
Junge Wilde So nannte man in den neunziger Jahren eine Gruppe von jüngeren CDU -Politikern, die weniger konservativ waren und sich auch mal trauten, gegen den mächtigen Parteichef Helmut Kohl aufzumucken. Was ihnen nicht geschadet hat: So wurden die Medien aufmerksam, und sie wurden prominent. Aus einigen Jungen Wilden wurden später Ministerpräsidenten: Peter Müller im Saarland zum Beispiel, Roland Koch in Hessen oder Christian Wulff in Niedersachsen.
K-Frage Abkürzung für die »Kanzlerkandidaten-Frage«, also die Frage, wer sich vor Bundestagswahlen in einer großen Partei durchsetzt und zum Kanzlerkandidaten gekürt wird. Meist konkurrieren darum mehrere Alphatiere. Man versucht übrigens, diese Entscheidung möglichst lange hinauszuzögern. Denn sobald einer offiziell Kandidat ist, wird er vom politischen Gegner in seine Einzelteile zerlegt und bei jeder Gelegenheit scharf angegriffen. Auch kann der Gegner dann seine Wahlkampftaktik auf den Kandidaten abstellen, weil er nun weiß, mit wem er es zu tun hat. Das ist wie mit der Mannschaftsaufstellung im Fußball. Die bleibt ja auch möglichst lang geheim. Die K-Frage stellt sich in der Regel nur Oppositionsparteien. Wer bereits Bundeskanzler ist, wird normalerweise auch Spitzenkandidat im nächsten Wahlkampf.
Kabinettsdisziplin Wer im Kabinett sitzt, gehört zur Regierung und muss die Regierungspolitik auch mitverantworten und kann nicht ständig dagegen stänkern. Das wäre unglaubwürdig. Als Minister am Kabinettstisch muss man mit anderen Ministern Kompromisse schließen, man muss mit dem Finanzminister um Geld verhandeln, kurzum: Man
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